Sie können es doch noch! Beim 5:0-Kantersieg gegen Lausanne-Sport erzielten die St.Galler am Samstagabend mehr Tore als in den acht (!) vorangehenden Ligapartien zusammen – dass mit den Festspielen gegen die Waadtländer der frühzeitige Ligaerhalt einherging, rundete den Abend aus Ostschweizer Optik perfekt ab.
Es schien, als würde alles, was den Espen in der am Freitag zu Ende gehenden Saison misslungen war, plötzlich funktionieren. Endlich wurde die Mannschaft von Peter Zeidler für ihr meist fleissiges Erarbeiten von Torchancen auch entsprechend belohnt. Noch dazu kassierte sie erst zum dritten Mal seit der Vorrunde kein Gegentor.
Der FC St.Gallen zeigte am vergangenen Samstag eindrücklich, wozu er fähig ist. Er entledigte sich seiner Abstiegssorgen in einer Manier, die stark an das heroische Vorjahr mit dem Vizemeistertitel erinnerte.
Magischer 35. Spieltag
Den Kopf aus der Schlinge zogen die Ostschweizer dabei in der vorletzten Runde. Interessanterweise stand der 35. Spieltag schon in vergangenen Jahren exemplarisch für magische St.Galler Nächte – etwa 2019/2020, als Xamax mit 6:0 aus dem Stadion geballert wurde. Oder ein Jahr davor, als Tranquillo Barnetta bei seinem letzten Heimspiel gegen YB als Torschütze glänzte (und einen Penalty verschoss). Und auch 2015 gab es am 35. Spieltag den höchsten Sieg der Saison (siehe Tabelle).
FCSG-Kantersiege seit dem Aufstieg 2012 (Siege mit mehr als drei Toren Differenz)
Saison | Partie | Spieltag |
2012/2013 | FCSG 4:0 FC Luzern | 21 |
FCSG 5:0 FC Sion | 32 | |
2013/2014 | – | |
2014/2015 | FCSG 5:1 FC Aarau | 35 |
2015/2016 | – | |
2016/2017 | – | |
2017/2018 | – | |
2018/2019 | – | |
2019/2020 | FCSG 4:0 FC Thun | 9 |
FCSG 6:0 Neuchâtel Xamax | 35 | |
2020/2021 | FCSG 5:0 Lausanne-Sport | 35 |
Bei näherer Betrachtung fallen zwei Dinge auf. Erstens: Wenn der FCSG seine Fans verwöhnt, tut er dies stets zu Hause. Und zweitens: Kantersiege sind keine Selbstverständlichkeit. In den neun Spielzeiten seit der Rückkehr in die Super League gewannen die Espen nur gerade sechs Partien mit mehr als drei Toren Differenz.
Diese Erkenntnis ist hilfreich, sollte jemand enttäuscht darüber sein, dass der FC St.Gallen seinen Coup aus der Vorsaison nicht wiederholen konnte – dass er «nur» den Ligaerhalt geschafft hat. Denn dies ist genauso wie ein Kantersieg keine Selbstverständlichkeit.
Abstiegskampf ist realitätsnäher
Mit rund achteinhalb Millionen Franken hat der FC St.Gallen nach Vaduz das zweitkleinste Budget der Liga. Dieses erlaubt ihm weder, grosse Investitionen zu tätigen, noch hat er dadurch eine Möglichkeit, wechselwillige Spieler mit einer saftigen Gehaltserhöhung von einem Verbleib zu überzeugen.
Deutlich gespürt haben dies die Espen im vergangenen Sommer mit den Abgängen von Itten, Demirović und Hefti. Und auch dieses Jahr wird Captain Jordi Quintillà wohl nicht der einzige Leistungsträger sein, den Präsident Matthias Hüppi in Richtung finanzstärkerer Konkurrenz verabschieden muss.
So ist es nur logisch, dass der Abstiegskampf für den FC St.Gallen realitätsnäher ist als das Wetteifern um den Meistertitel. Ein Coup wie in der Saison 2019/2020 kann nur dann passieren, wenn alles zusammenpasst – genauso wie bei einem Kantersieg.
Ligaerhalt ist lehrreicher
Für das Nervenkostüms der Anhänger mag ein Abstiegskampf zwar strapaziöser sein, dafür ist er für die junge St.Galler Mannschaft um ein Vielfaches lehrreicher, als wenn sie die Erwartungen schon nach der Vorrunde übertroffen hat und im Konzert der Grossen um den Titel mitspielt. In diesem Jahr haben Stergiou, Fazliji und viele andere vielleicht zum ersten Mal erfahren, was es heisst, unter grossem Druck zu stehen – und diesem standzuhalten.
Diese Erkenntnis wird so manchem Spieler weiterhelfen und davon kann der FC St.Gallen nur profitieren. Vielleicht schon am Pfingstmontag? Im Cupfinal gegen Luzern werden die Espen erneut unter Druck stehen. Schliesslich winkt nach dem ersten erfolgreichen Abstiegskampf nun auch der erste Titel.