Das hätten YB wohl nur wenige zugetraut: Zweimal besiegen die Berner im Playoff das grosse Galatasaray und stehen einmal mehr in der Champions League. Im Rückspiel im Hexenkessel von Istanbul siegten die Berner gegen Galatasaray mit 1:0. Das Hinspiel im Wankdorf hatten die Berner 3:2 gewonnen.
Das wäre auch ohne den missratenen Meisterschaftsstart eine Überraschung gewesen. Denn der türkische Meister verfügt nicht nur über das deutlich wertvollere Kader, sondern durfte auch das Rückspiel vor eigenem Publikum austragen. Ein Vorteil, den die Istanbuler nicht zu nutzen wussten.
Nach schwierigem Start zusammengestanden
Doch vor allem die schwachen Auftritte von YB in den letzten Wochen haben selbst bei den eigenen Fans den Glauben an den Einzug in die Königsklasse schwinden lassen. Fünf Spiele, zwei Punkte, Tabellenletzter: So lautet die bittere Liga-Bilanz der Mannschaft, die nach dem Meistertitel in der vergangenen Saison mit Patrick Rahmen einen neuen Trainer bekommen hat.
«Wir sind nach einem schwierigen Start zusammengestanden und haben uns mit harter Arbeit kontinuierlich gesteigert», sagte der YB-Trainer nach dem Triumph im «Hexenkessel von Istanbul» im Interview mit «Blue». Nötig war dafür eine Abgeklärtheit, die auch durch die Erfolge in der Vergangenheit gewachsen ist.
Eindrückliche Konstanz
Lange Zeit musste sich YB den Vorwurf gefallen lassen, im Europacup nicht zu bestehen. Doch seit 2016 verpassten die Young Boys nur einmal den Einzug in die Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs: Vor zwei Jahren scheiterten sie in der Qualifikation zur Conference League im Penaltyschiessen an Anderlecht. Ansonsten gehört YB längst zu den europäischen Stammgästen, auch wenn Ausreisser nach oben selten blieben.
Die Konstanz widerspiegelt sich auch im UEFA-Koeffizienten, dank dem YB in der Champions League sogar in Topf 3 gesetzt ist. Die Berner liegen derzeit vor Teams wie Celtic Glasgow, AS Monaco oder Aston Villa. Wie in der Meisterschaft, die YB seit 2018 auch mit einer Ausnahme dominiert, hat sich der Klub auch im Europacup ein neues Selbstverständnis erarbeitet. Dieses wird jeweils von der «alten Garde» an die Neulinge weitergegeben.
Marvin Keller souverän
So agierte der im Juli 22 Jahre alt gewordene Ersatztorhüter Marvin Keller sowohl nach seiner Einwechslung in Bern als auch bei seinem Startelf-Einsatz in Istanbul äusserst souverän. «Wir haben uns gut vorbereitet und waren auf das Wesentliche fokussiert», analysierte der Torhüter, als sei er solche Affichen längst gewohnt. Erst auf Nachfrage gab er zu, noch «unter Strom» zu stehen.
Auch der von Spielern gern zitierte Satz, wonach jeder Wettbewerb seine eigenen Gesetze habe, hat YB mit dem Erfolg gegen Galatasaray bestätigt. Man fühlte sich ein wenig an den FC Basel erinnert, der in der Saison 2022/23 in der Conference League den Halbfinal erreichte, während er in der Meisterschaft abstürzte. Doch so weit wollen es die Berner nicht kommen lassen. Zeit zur Korrektur bleibt genug.
Vierte Teilnahme seit 2018
Der Erfolg der Young Boys ist auch ein Erfolg für den Schweizer Fussball. Zum 16. Mal seit 1992 ist die Schweiz in der Gruppen- oder neu Ligaphase der Champions League vertreten. Basel qualifizierte sich achtmal, die Grasshoppers zweimal, Zürich und Thun je einmal. Für YB ist es nach 2018, 2021 und 2023 die vierte Teilnahme. Die Abstände zwischen den erfolgreichen Qualifikationen der Berner wurden immer kürzer. Das bringt dem Verein nicht nur Einnahmen in Millionenhöhe, sondern stärkt auch sein Ansehen in Europa.
Im letzten Jahr erreichte YB in der Champions League erstmals den dritten Gruppenplatz und überwinterte damit auf europäischer Ebene. Nun darf man gespannt sein, was im neuen Ligaformat möglich sein wird. Das nötige Selbstvertrauen für die nächsten hohen Hürden scheint jedenfalls vorhanden zu sein.
(sda/mfu)