In und um Paris wurde das Olympiaturnier zwischen dem 25. Mai und dem 9. Juni 1924 in Stadien ausgetragen, die heute bedeutungslos sind oder nicht mehr existieren. Das Hauptstadion war das über zehn Kilometer nordwestlich des Eiffelturms gelegene «Colombes». Es fasste 7000 Zuschauer und ist heute die Heimstätte des dritt- bis fünftklassigen Liftklubs Racing Club de Paris.
Vom Final, nach dem sich die Schweizer die silbernen Auszeichnungen überreichen liessen, gibt es nicht viel zu berichten. Zu überlegen waren die Südamerikaner, die 3:0 siegten. Die Fachzeitung «Sport» urteilte so: «Die Antwort, warum wir im Final unterlagen, ist nicht schwer zu geben. Wir zogen gegen einen Gegner den Kürzeren, der in der Form, die er an den Tag legte, von keiner europäischen Mannschaft zu schlagen ist. Man wusste von den früheren Spielen her, dass uns die Südamerikaner in Bezug auf die Ballbehandlung und Körperbeherrschung glatt überlegen waren.»
Aus dem von 22 Mannschaften bestrittenen Turnier - Deutschland und Österreich waren aus politischen Gründen nicht dabei - gibt es aber mindestens zwei wunderbare Siege hervorzuheben: das 2:1 im Viertelfinal gegen Italien und das 2:1 im Halbfinal gegen Schweden. Die Schweizer Fussballer waren in beiden Partien die Aussenseiter.
Xamax' Namensgeber
Die Namen der damaligen Internationalen, die meisten um die Jahrhundertwende geboren, sind heute kaum noch bekannt. Dennoch begegnen wir einem dieser Namen jede Woche, zurzeit sogar zweimal pro Woche: Max Abegglen, seinerzeit «Xam» gerufen. Der Stürmer war 1916 Mitgründer des Neuenburger Klubs, der nach ihm FC Xamax genannt wurde.
Max «Xam» Abegglen ist mit 34 Toren (aus 52 Länderspielen) bis heute zusammen mit Kubilay Türkyilmaz der zweitbeste Torschütze der Nationalmannschaft. Öfter traf nur Alex Frei (42 Tore). Als Brüderpaar sind die Abegglens unerreicht: Max und der sieben Jahre jüngere Bruder André «Trello» Abegglen, der 1944 mit 35 Jahren bei einem Eisenbahnunglück ums Leben kam, trafen für die Nati 62 Mal.
Max Abegglen war mit sechs Toren auch der erfolgreichste Schweizer Torschütze des Olympia-Turniers. Um ein Tor übertroffen wurde er nur vom Uruguayer Pedro Petrone. Paul Sturzenegger belegte in der Skorerliste mit fünf Toren den 4. Platz. Im gleichen Jahr wurde «Sturzi» mit dem FC Zürich Schweizer Meister. In der Vorrundenpartie gegen Litauen wurde Sturzenegger der erste Schweizer Internationale mit vier Toren in einem Spiel. Das 9:0 ist bis heute der höchste Sieg der Schweiz in einem Länderspiel.
Eine Schlüsselfigur im Olympia-Team, das - heute undenkbar - von den Trainern von GC, YB und Servette gemeinsam zusammengestellt und gecoacht wurde, war Rudolf Ramseyer. Der damals 27-jährige YBler war mit Erfolg vom Stürmer zum Verteidiger umfunktioniert worden. Ramseyer, als Naturfussballer im Berner Breitenrain-Quartier aufgewachsen, brachte im Halbfinal den schwedischen Superstürmer Sven Rydell zur Verzweiflung. Rydell, der erst 2014 von Zlatan Ibrahimovic als Schwedens Rekordtorschütze abgelöst wurde, kam gegen Ramseyer mit keinem seiner gefürchteten Dribblings durch.
Ramseyer, der knorrige Berner
Der «Sport» schrieb über die bravouröse Schweizer Defensivleistung beim Sieg gegen die Schweden, die vorher Belgien 8:1 und Ägypten 5:0 besiegt hatten: «Nur in gewissen Abschnitten der ersten Hälfte liefen die Schweden zur üblichen Form auf. Sonst aber brachten unsere Leute den Gegner so gründlich aus dem Konzept, dass er sein Spiel nicht zu produzieren vermochte. Namentlich dem Schwedensturm merkte man an, dass er diesmal eine solide Verteidigung vor sich hatte. Platzierte Schüsse waren eine Seltenheit. Vollends unterblieben die erfolgreichen Dribblings eines Rydell, als der schwedische Halbrechte einmal zu Ansicht gekommen war, dass mit dem knorrigen Berner (Ramseyer) nicht gut Kirschen essen war.»
Um Ramseyer rankt sich eine Legende. Er wechselte im Sommer 1925 von den Young Boys zum FC Bern ins Neufeld. Es war ein Verrat wie auch später noch ein Wechsel vom FCZ zu GC oder umgekehrt. Aber «Rüedu» soll einen handfesten Grund gehabt haben: Die von Vater Ramseyer geführte Schreinerei/Zimmerei im «Breitsch» hatte für den Bau des nahen Wankdorfstadions nicht den kleinsten Auftrag bekommen. Aus lauter Wut habe er die Fronten gewechselt.