Klammheimlich haben sechs Clubs aus England sowie je drei aus Spanien und Italien eine langwährende Drohung wahrgemacht: In der Nacht auf Montag gründeten sie die European Super League, eine Liga, die den ohnehin schon Schwerreichen im europäischen Clubfussball jährliche Einnahmen im dreistelligen Millionenbereich garantieren soll.
Sie blieben, so der Plan, zwar den nationalen Meisterschaften erhalten, würden aber nicht mehr an den vom europäischen Fussballverband (Uefa) organisierten Hauptwettbewerben teilnehmen. «Man spuckt Fans und Gesellschaft ins Gesicht. Wir wussten nicht, dass wir mit Schlangen zusammenarbeiten», sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin in einer harschen Stellungnahme zu den Plänen der Grossclubs.
Dass diese bereits ab August der Champions League, Europa League und auch der ab diesem Sommer stattfindenden Conference League fernbleiben wollen, ist ein Angriff auf die Monopolstellung der Uefa. Doch dies allein ist nicht der Grund, weshalb Fans, Clubvertreter und sogar Politiker gegen die Pläne Sturm laufen.
Die Champions League kann nicht mithalten
An der European Super League sollen jede Saison 20 Teams teilnehmen (Zehnergruppen, dann Viertelfinals). Die Gründungsmitglieder (vgl. Tabelle) sind dabei gesetzt und müssen sich nicht in der nationalen Meisterschaft qualifizieren, wie dies etwa in den Wettbewerben der Uefa der Fall ist.
Gründungsmitglied
Eigentümer
Herkunft Eigentümer
Manchester United
Joel Glazer
USA
Manchester City
Khaldoon Al Mubarak
Vereinige Arabische Emirate
FC Chelsea
Bruce Buck / Roman Abramowitsch
USA / Russland
FC Liverpool
John W. Henry
USA
FC Arsenal
Stan Kroenke
USA
Tottenham Hotspur
Joe Lewis
Grossbritannien
Real Madrid
mitgliedergeführt
-
FC Barcelona
mitgliedergeführt
-
Atlético Madrid
Miguel Gil Marín
Spanien
Juventus Turin
Andrea Agnelli
Italien
Inter Mailand
Steven Zhang
China
AC Milan
Paul Singer
USA
Fünf weitere Teams können sich ihre Teilnahmeberechtigung auf dem sportlichen Weg erspielen. Dazu hofft die Liga, Bayern München, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain ebenfalls noch als Gründungsmitglieder zu gewinnen – sie hat diesen Clubs eine 30-tägige Gedenkfrist gewährt.
Die US-Grossbank JP Morgan, welche die European Super League finanziert, geizt dabei nicht mit finanziellen (An-)Reizen: Neben den jährlichen Einnahmen erhalten die Teilnehmer «einen fixen Betrag von 3,5 Milliarden Euro für die Entwicklung ihrer Infrastruktur und zur Abfederung der Auswirkungen der Covid-Pandemie», heisst es im Gründungsschreiben.
Damit kann die Champions League bei weitem nicht mithalten: Titelverteidiger Bayern garnierte in der vergangenen Saison rund 130 Millionen Euro an Startgeld und Siegprämien – mehr Geld verteilte die Uefa noch nie!
Corona beschleunigte den Gründungsprozess
Die Pläne für die Gründung einer europäischen Superliga gibt es indes schon seit den späten 80er Jahren. Auf die Saison 1992/1993 hin reformierte die Uefa schliesslich den Landesmeister-Pokal, benannte ihn um in Champions League und führte die Gruppenphase ein.
Seither befindet sich die Uefa im Würgegriff der Grossclubs: Immer wieder nahm sie Änderungen an den Turnierformaten vor und das stets im Sinne der Grossen, wodurch es auch für kleinere Teams wie jene aus der Schweiz immer schwieriger wurde, sich für die Champions League zu qualifizieren.
Dabei hat die Corona-Pandemie auf den Fussball die genau gleiche Wirkung wie zum Beispiel auf das Gesundheitswesen: Sie schafft nicht primär neue Probleme, sondern deckt die alten schonungslos auf. Schliesslich hat das «Wettrüsten» um die besten Spieler der Welt längst begonnen, Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich sind längst nicht mehr die Ausnahme.
Die Grossclubs retten sich selber
Florentino Pérez ist Bauunternehmer, milliardenschwer und Präsident von Real Madrid. Zusammen mit Andrea Agnelli (Juventus Turin) und Joel Glazer (Manchester United) bildet er den Vorstand der European Super League. Er sagt: «Wir machen das, um den Fussball zu retten, der sich in einer kritischen Situation befindet.»
Dabei vergisst er, dass sich die Grossclubs mit ihren zerstörerischen Plänen nur selber retten. Oder anders formuliert: Sie sind die Ratten, die das sinkende Schiff verlassen. All die übrigen Clubs, die nicht zum erlauchten Kreise der European Super League zählen, werden mit den bekannten Problemen alleingelassen.
Uefa tagt am Freitag
Damit bekämpft diese Liga nicht das Problem, sondern nur die Symptome. Viel klüger wäre es, gemeinsam zu analysieren, wie der moderne Fussball nachhaltig finanziert werden soll. Die auswuchernden Ausgaben der Clubs mit immer mehr Einnahmen zu decken, ist eine Rechnung, die auf die Dauer nicht aufgehen kann.
Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich die Uefa mit allen Kräften gegen diesen Parallel-Wettbewerb wehrt. Schon am Freitag wird an einer Sitzung entschieden, wie es weitergehen soll. Auch mit der laufenden Champions-League-Saison – schliesslich zählen mit Real Madrid, Chelsea und Manchester City drei der vier Halbfinalisten zu den Gründungsmitgliedern der Super League.