18 Rennen, null Punkte und ein angeknackstes Selbstvertrauen: Der MotoGP-Abstecher brachte Tom Lüthi ausser Spesen und einem Erfahrungsgewinn nichts. Das Abenteuer in der Königsklasse fand dementsprechend schnell sein Ende. Für den Neustart in der mittleren WM-Kategorie konnte der Emmentaler im vergangenen August trotz mangelndem Erfolg das Team aussuchen. Bei den Deutschen von Dynavolt Intact glauben er und sein Manager Daniel Epp, die besten Bedingungen vorzufinden. Mit seinem neuen Cheftechniker Michael Thier versteht sich Lüthi bereits hervorragend - anders als zuletzt mit dem Franzosen Gilles Bigot.
Kaum zurück in der Moto2, in welcher er 2016 und 2017 jeweils WM-Zweiter geworden war, blühte Lüthi wieder auf. Er gewöhnte sich in der Vorbereitung schnell wieder an die Kalex. Diese wird neu von einem 765-ccm-Dreizylinder-Einheitsmotor von Triumph anstelle des 600er-Aggregats von Honda angetrieben. Erlaubt ist zudem ab dieser Moto2-Saison auch ein gewisses Mass an elektronischer Unterstützung, so bei der Motorenbremse.
Der 32-jährige Routinier arbeitete sich dabei systematisch und Schritt für Schritt nach vorne. Bei den abschliessenden Tests in Katar, wo an diesem Wochenende ebenfalls der Saisonauftakt erfolgen wird, klassierte sich der Exweltmeister unter 32 Fahrern im 2. Rang. Knapp geschlagen einzig vom Briten Sam Lowes. «Von Anfang an möglichst weit vorne mitmischen», scheint für Lüthi in seiner 17. kompletten GP-Saison nach gelungener Hauptprobe kein unrealistisches Ziel zu sein.
Mit Weltmeister Francesco Bagnaia aus Italien sowie dem Portugiesen Miguel Oliveira stieg das letztjährige Moto2-Topduo in die Königsklasse auf. Favoriten auf den Titel gibt es nebst Lüthi einige: Luca Marini, Lorenzo Baldassarri, Alex Marquez, Sam Lowes - alle wie Lüthi auch auf Kalex -, dazu der KTM-Werksfahrer und letztjährige WM-Dritte Brad Binder.
Auch Dominique Aegerter versucht 2019, seiner ins Stocken geratenen Karriere neuen Schub zu verleihen. Der Weg zurück zum Erfolg scheint für den 28-jährigen Oberaargauer allerdings steiniger zu werden als für Lüthi. Ende letzter Woche in Katar blieb ihm in der kombinierten Zeitenliste der drei Testtage mit über zwei Sekunden Rückstand nur der 26. Platz. Das gänzlich neue Moto2-Motorrad des Teams Forward MV Agusta ist erst bedingt konkurrenzfähig. «Wir brauchen Geduld», sagt Aegerter, der aber auch zugibt, «dass uns im Moment noch die Anhaltspunkte fehlen, was wirklich gut ist und was nicht».
Seine erfolgreichsten Saisons erlebte Aegerter 2013 und 2014, als er sich im Moto2-Schlussklassement jeweils als Fünfter klassierte. Seither lief es ihm aus diversen Gründen harzig. Als Aegerter doch einmal überraschend einen Erfolg feiern konnte - so wie im September 2017 bei seinem Regen-Sieg in Misano -, wurde ihm dieser wegen eines Reglements-Verstosses aberkannt. 2018 resultierte für den siebenfachen GP-Podestplatzfahrer nur der 17. WM-Gesamtrang.
Überraschend befindet sich in Katar mit Jesko Raffin, der Ende der letzten Saison trotz teils guten Leistungen vergebens auf einen Moto2-Startplatz hoffte, noch ein dritter Schweizer am Start. Der 22-jährige Zürcher kommt im niederländischen Team NTS RW Racing als Ersatzfahrer für den am Fuss verletzten Südafrikaner Steve Odendaal zum Zug.
Ob Raffin, der zudem in Lüthis Dynavolt-Team als Reservefahrer zur Verfügung steht, zu weiteren Moto2-Einsätzen gelangt, ist noch unklar. Fix sind jedoch seine Einsätze in der neu geschaffenen MotoE-Kategorie. Die sechs Rennen umfassende Saison auf den Elektro-Motorrädern beginnt am 5. Mai anlässlich des Grand Prix von Spanien in Jerez de la Frontera.
Die Mission Titelverteidigung startet für MotoGP-Weltmeister Marc Marquez mit dem Nachtrennen in Katar. Seit seinem Aufstieg 2013 dominiert Marc Marquez die Königsklasse praktisch nach Belieben. Fünf der letzten sechs WM-Titel gingen an den bereits 70-fachen GP-Sieger. Fährt er in diesem Stil weiter, bricht der Ausnahmekönner aus Katalonien noch viele Rekorde. Auch heuer führt der Titelgewinn zuallererst über Marquez, der allerdings in den Testfahrten weniger dominant als auch schon auftrat. Grund dafür war die im Dezember vorgenommene Operation an seiner linken Schulter, die er sich in der Vergangenheit regelmässig ausgerenkt hatte.
Einzig 2015 fand Marquez über eine ganze Saison seinen Bezwinger - in der Person von Jorge Lorenzo. Dieser wurde nach 2010 und 2012 zum dritten Mal auf einer Yamaha MotoGP-Weltmeister. Der Mallorquiner wechselte nach zuletzt zwei durchzogenen Jahren bei Ducati als Nachfolger für Dani Pedrosa ins Honda-Werksteam zum grossen Rivalen Marquez.
Lorenzo war bei den ersten Testfahrten im November auf Anhieb schnell. Die Honda RC213V scheint seinem Fahrstil eher zu entsprechen als die Ducati Desmosedici. Doch der im Tessin lebende Lorenzo brach sich Mitte Januar bei einem Trainingsunfall das linke Handgelenk und verpasste daraufhin die Tests in Sepang. Trotz guten Leistungen zuletzt in Katar wird der Spanier wohl erst ab dem dritten oder vierten Saisonrennen vollständig fit sein.
Ducati mit noch mehr Leistung
Praktisch auf Augenhöhe mit Honda befindet sich Ducati. Die Italiener, die in Sachen Leistung nochmals einen Schritt nach vorne gemacht haben, streben mit Vehemenz nach dem ultimativen Erfolg: dem Fahrer-Titel in der obersten Kategorie des Motorrad-Rennsports. Bei den Tests in Sepang sicherten sich die Italiener, die letzte Saison bereits sieben Rennen gewannen, gleich die vier Top-Positionen. Ducatis Nummer-1-Fahrer ist Andrea Dovizioso. Der Italiener war zuletzt zweimal WM-Zweiter hinter Marquez. Als Ersatz für den abgesprungenen Lorenzo rückte Danilo Petrucci ins Werksteam nach.
Das Yamaha-Werksduo mit Maverick Viñales und dem 40-jährigen «Doktor» Valentino Rossi (in seiner 24. WM-Saison) gab sich nach teils starken Testfahrten vorsichtig optimistisch. Eine Durststrecke wie in den letzten zwei Jahren, als Yamaha einmal während 25 Rennen ohne Sieg blieb, soll es nicht mehr geben. Im Kampf um einzelne Rennsiege gilt es auch Suzuki mit Alex Rins zu beachten. Der Spanier erreichte 2018 fünf Top-3-Platzierungen.
* = Grands Prix mit zusätzlichen Rennen in der neu geschaffenen MotoE-Klasse