Wie ein einziges von 19 Saisonrennen das Bild verändern kann: Vor dem Halt in Andalusien folgten hinter WM-Leader Andrea Dovizioso vier weitere Fahrer innerhalb von nur acht Punkten. So dicht wie nie präsentierte sich nach drei Grands Prix die Spitze der Königsklasse, seit vor 25 Jahren das aktuelle Punktesystem eingeführt worden ist. Das vierte Rennen jedoch war ein deutlicher Hinweis dafür, dass es sich vielleicht nur um eine vermeintliche Ausgeglichenheit gehandelt haben könnte. Nun erscheint auch ein Solo-Lauf Marquez' möglich.
«Das war der beste Weg, um in die Rennen in Europa zu steigen», fand auch der Katalane. Marquez fuhr präzis und traf die richtigen Entscheide, so beispielsweise, als er geduldig hinter dem zunächst führenden Jorge Lorenzo blieb. Es sei fast unmöglich gewesen, seinen Landsmann zu überholen, sagte der sechsfache Weltmeister zwar. Als dann aber Lorenzos Reifen abbauten, «war es an der Zeit, in Führung zu gehen und einen Vorsprung herauszufahren.» Danach nahm er den Verfolgern Lorenzo, Dani Pedrosa und Andrea Dovizioso die Zehntelsekunden gleich bündelweise ab.
Die brenzligste Situation erlebte Marquez bei Rennhälfte, als er an der Stelle, wo Tom Lüthi in der Runde zuvor gestürzt war, auf ein paar Kieselsteine geriet und den Sturz bei Tempo 200 nur knapp vermeiden konnte. «Wie mir das gelang, weiss ich aber nicht.» Der Triumph, sein 37. in der MotoGP, war ihm nicht mehr zu nehmen. Umso mehr, als sich einige Runden vor Schluss das Trio in seinem Rücken gleich selbst - und höchst spektakulär - aus dem Rennen nahm. Auch der Brite Cal Crutchlow, der nach dem Chaos-GP in Argentinien die WM angeführt hatte, schied durch eigenes Verschulden aus. So triumphierte Marquez in Jerez, wo er erst zum zweiten Mal nach 2014 ein Rennen siegreich beendete, überlegen und obwohl er in den Trainings zuvor gleich dreimal gestürzt und im Qualifying nicht über Position 5 hinausgekommen war.
Als es aber zählte, war Marquez zur Stelle. Er sei glücklich, 25 Punkte gesammelt zu haben und nun in der WM-Wertung über einen Vorsprung zu verfügen, sagte Marquez danach. Einzig Johann Zarco, der zweifache Moto2-Weltmeister aus Frankreich fährt in einem Kunden-Team von Yamaha, befindet sich mit zwölf Punkten Rückstand noch halbwegs in Schlagdistanz. Alle anderen Fahrer brauchen am 20. Mai beim nächsten Grand Prix in Le Mans einerseits einen Sieg und andrerseits einen Nuller von Marquez, um diesen zu überflügeln.
Marquez war in Jerez trotz dem zweiten Sieg hintereinander nicht restlos zufrieden. Der Werks-Honda fehle noch etwas, gerade im Bereich des Vorderrades. Dies sei auch der Grund, weshalb er am Freitag, Samstag und auch im Warm-Up am Sonntag je einmal gestürzt sei. Der Ursache dafür ging der Titelverteidiger bei den Testfahrten am Montag auf den Grund. Seine Konkurrenten, von Zarco über Dovizioso zu Altmeister Valentino Rossi, der momentan mit 30 Punkten Rückstand nur WM-Sechster ist, dürften hoffen, dass Marquez und dessen Mechaniker-Crew die Lösung nicht fanden. Ansonsten droht an der MotoGP-Spitze vielleicht bald die Langweile.