Die 19-jährige Andreescu, (noch) Nummer 15 der Welt, hatte das Jahr als Nummer 152 begonnen und spielte erst ihr viertes Major-Turnier, das erste US Open. Serena Williams verpasste es hingegen in ihrem vierten grossen Final seit der Geburt ihrer Tochter vor zwei Jahren erneut, den 24. Grand-Slam-Titel zu gewinnen und damit zur Rekordhalterin Margaret Court aufzuschliessen.
Wie im letzten Jahr gegen die als Nummer 20 gesetzte Naomi Osaka musste sich Williams auch in diesem Final von einer unbekümmert aufspielenden Newcomerin dominieren lassen. Selber hielt sie dem Druck, Geschichte schreiben zu wollen oder gar zu müssen, einmal mehr nicht stand. Williams gab gleich im ersten Game ihren Aufschlag ab - mit zwei Doppelfehlern bei den letzten beiden Punkten. Insgesamt leistete sie sich in 1:40 Stunden 33 unerzwungene Fehler.
Andreescu überzeugte hingegen wie bei ihrem Sieg im Halbfinal gegen die Schweizerin Belinda Bencic mit ihrem variablen Spiel und coolen Auftreten. Sie gewann nach Indian Wells und Toronto den grössten Titel ihrer noch jungen Karriere. Der Altersunterschied von 18 Jahren und 263 Tagen war der grösste, den es in der Profiära je in einem Grand-Slam-Final gegeben hat.
Andreescu lässt sich nicht stören
Es war jedoch die Kanadierin mit rumänischen Wurzeln, die erst gut neun Monate nach Williams' erstem Grand-Slam-Titel am US Open 1999 (gegen die damalige Weltnummer 1 Martina Hingis) zur Welt kam, die wie ein Routinier auftrat. Nerven scheint die 19-Jährige keine zu kennen, aus der Fassung zu bringen war sie ebenfalls nicht. Weder durch die lauten und zunehmend unsportlicheren Fans im riesigen Arthur Ashe Stadium, noch durch das erste Break, das Williams im zweiten Satz mit einem äusserst glücklichen Netzroller gewann. Andreescu konterte sogleich und nahm der Amerikanerin den Aufschlag zum 3:1 ab.
Erst angesichts einer 5:1-Führung und eines vergebenen Matchballs, begann Andreescu zu zittern. Als Williams auf 5:5 aufholte, wurde der Lärm der über 23'000 Zuschauer ohrenbetäubend. Das letzte Wort hatte aber die Kanadierin. Mit einem Returnwinner beim dritten Matchball sicherte sie sich den Triumph. Es dürfte nicht der letzte Grand-Slam-Sieg Andreescus bleiben. Bei weitem nicht.
Serenas Probleme in den grossen Finals
Ob Serena Williams den 24. Titel noch schafft, steht dagegen mehr denn je in den Sternen. Sie hat eine ihrer grössten Stärken verloren: In den wichtigen Spielen ihr bestes Tennis zu spielen. Keine andere hat in diesem Jahr mehr Matches an Grand-Slam-Turnieren gewonnen als sie, keine andere stand in zwei Finals. Die Trophäen holten aber letztlich andere.
Das ist Williams nicht verborgen geblieben. «Ich liebe Bianca und ich denke, sie hat hervorragend gespielt», zeigte sie sich als faire Verliererin. «Aber das war der schlechteste Match des Turniers von mir. Das war nicht Serena auf dem Platz.» Vor allem der Service, ansonsten eine ihrer besten Waffen, liess sie völlig im Stich. Nur 44 Prozent der erste Aufschläge im Feld, nur von 5 von 11 Service-Games gewonnen, die Zahlen sagen alles aus. Dass Andreescu aus dem Spiel heraus mindestens ebenbürtig sein würde, hatte erwartet werden können, dass sie aber auch besser aufschlug war für Williams der Untergang.
So cool Andreescu jeweils in ihren Matches ist, so emotional zeigte sie sich danach. «Ich hatte mir in meinen Visionen vorgestellt, in einem solchen Final gegen Serena zu spielen», sagte sie zwei Stunden nach dem Ende des Spiels vor den Medien. «Das ist einfach verrückt», brachte sie noch heraus, bevor sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Trotz ihren erst 19 Jahren ging es für Andreescu nicht immer aufwärts. Nachdem sie 2017 bei den Junioren zwei Grand-Slam-Titel im Doppel gewonnen hatte, fiel sie letztes rund sechs Monate wegen Rückenproblemen aus. Und auch in diesem Frühling musste sie nach dem sensationellen Sieg in Indian Wells nochmals wegen eine Schulterverletzung pausieren.
Bei der Medienkonferenz bricht die Kanadierin in Tränen aus:
Quelle: CH Media Video Unit
Doch nun steht sie ganz oben und bedankte sich überschwenglich bei ihren Eltern und dem kanadischen Tennisverband, ohne deren Unterstützung ihr Erfolg nicht möglich wäre. Andreescu ist die erste Kanadierin überhaupt, Mann oder Frau, die einen Major-Titel im Einzel gewann. «Ich hoffe, ich bin damit eine Inspiration für andere junge Kanadier wie dies Carling (Bassett, US-Open-Halbfinalistin von 1984) oder (Basketballer) Steve Nash für mich waren.»