Wer soll diesen Daniil Medwedew stoppen? Beim 6:4, 6:2, 7:5 gegen Stefanos Tsitsipas feierte er seinen 20. Sieg in Folge, seit letztem Oktober hat er nicht mehr verloren und dabei zwölfmal gegen Top-Ten-Spieler gewonnen. Zu seinen Opfern gehörten in diesen drei Monaten Alexander Zverev (4 Mal), Rafael Nadal (2), Dominic Thiem und ... Novak Djokovic. Dieser steht nun am Sonntag als ultimatives Hindernis zwischen Medwedew und seinem ersten Grand-Slam-Triumph.
Tsitsipas: «Er war einfach Medwedew»
In der Rod Laver Arena standen sich am Freitag die Nummern 4 (Medwedew) und 6 (Tsitsipas) gegenüber, doch zum Leidwesen der vielen griechischen Fans in Melbourne war der Klassenunterschied auf dem Platz eklatant. Medwedew machte alles besser als sein Gegner und demonstrierte eindrücklich, warum er derzeit kaum zu bezwingen ist. Im Gegensatz zu Nadal im Viertelfinal liess der Russe auch kein weiteres Comeback nach 0:2-Satzrückstand zu. «Er war drei Sätze lang einfach Daniil Medwedew», fand Tsitsipas eine verblüffend einfache Erklärung für seine deutliche Niederlage.
Hoffnung schöpfen durfte der 22-jährige Grieche nur einmal, Mitte des dritten Satzes, als er erst zwei Breakchancen zum mit Sicherheit vorentscheidenden 1:4 abwehrte und anschliessend selber dem drei Jahre älteren Russen zum einzigen Mal den Aufschlag abnahm. Trotz lautstarker Unterstützung für seinen Gegner behielt Medwedew in der zur Hälfte gefüllten Arena aber die Nerven. Mit einem überragenden Rückhand-Passierball («einer der besten Schläge meiner Karriere») gelang ihm zum 6:5 ein weiteres Break, nach 2:09 Stunden hatte er den Sieg in der Tasche.
Die Zuschauer hätten durchaus eine Rolle gespielt bei dieser kurzen Schwächephase im dritten Satz, gab Medwedew zu. «Es ist eine Frage der Erfahrung», erklärte der in Monaco wohnhafte Moskauer. «Das war wohl das erste Mal seit einem Jahr, dass die Fans so ins Spiel kamen. Da verkrampfte ich mich etwas. Nicht wegen des Spielstandes, sondern wegen der Zuschauer, die lauter wurden.» Auch fand Medwedew, dass er im Viertelfinal gegen seinen Landsmann Andrej Rublew noch besser gespielt habe. «Aber ich bin natürlich hochzufrieden», meinte er lachend.
Final der Besten der Gegenwart
Mit Djokovic und Medwedew stehen die beiden richtigen, weil aktuell besten Spieler im Final. Während der Serbe in seinem neunten Australian-Open-Final den neunten Titel (und 18. bei allen Grand Slams) anstrebt, ist der «Bär» (deutsche Übersetzung von Medwed) der dritte Russe, der in Melbourne im Final steht. Seine Vorgänger, Jewgeni Kafelnikow und Marat Safin, gewannen jeweils einen der zwei Finals, die sie erreichten. Und Medwedew ist der jüngste Finalist seit Djokovic, der bei seinem dritten Titel in Down Under 2012 noch ein Jahr jünger war.
Finalerfahrung bei Grand-Slam-Turnieren, die ihm am Sonntag zugute kommen könnte, hat Medwedew aber bereits. Beim US Open 2019 zeigte er gegen Nadal einen starken Auftritt, holte einen 0:2-Satzrückstand auf und unterlag am Ende einer hochklassigen Partie nur knapp im fünften Durchgang. «Novak ist der Favorit», stellt der Russe dennoch fest. «Einfach, weil er hier im Final nie verliert.»
Aber er weiss, wie er den Mann schlagen kann, der in gut zwei Wochen Roger Federers Rekord von 310 Wochen an der Spitze der Weltrangliste übertreffen wird. Medwedew hat immerhin drei der bisher sieben Duelle für sich entschieden, zuletzt im November an den ATP Finals. Die neue Nummer 3 der Welt ist er bereits sicher, gewinnt er auch den Final in Melbourne, verdrängt er Nadal von der zweiten Position.