Selten hat sich eine Spielerin nach dem Halbfinal eines gewöhnlichen WTA-Turniers derart gefreut. Doch was ist bei Belinda Bencic in diesem Jahr schon gewöhnlich. Nach dem 6:3, 6:4-Sieg gegen Kristina Mladenovic stürzte sie sich in die Arme ihres Freundes und Fitnesscoaches Martin Hromkovic, der sie in Moskau alleine betreut. Sie hatten ja auch einiges zu feiern.
Nach den ausbleibenden Resultaten auf der Asientournee und in Linz (nur 2 Siege in 5 Matches) schien sich der Traum von der erstmaligen Masters-Qualifikation, der nach dem Halbfinal am US Open sehr realistisch geworden war, wieder in Luft aufzulösen. Doch Bencic tat das, was zu einem Markenzeichen von ihr geworden ist: Sie kämpfte um ihre Chance.
Mladenovic war Angstgegnerin von Bencic
Dank einer Wildcard erhielt sie in Moskau unverhofft eine letzte Chance - und diese packte sie resolut. Nachdem sie in den ersten beiden Partien jeweils Mühe gehabt hatte, in die Gänge zu kommen. zeigte Bencic gegen die Französin Mladenovic (WTA 45) eine sehr konzentrierte und starke Leistung. Die 22-jährige Ostschweizerin ging in beiden Sätzen früh mit einem Break in Führung, musste Mladenovic jeweils wieder herankommen lassen, schaffte dann aber zum 5:3 respektive 5:4 den entscheidenden Service-Durchbruch.
Am Ende bewies Bencic starke Nerven. Sie gewann 12 der letzten 13 Punkte und ihr letztes Aufschlagspiel zu null. Die ehemalige Top-Ten-Spielerin Mladenovic war zuletzt eine Art Angstgegnerin der Schweizerin gewesen und hatte 2016 alle drei Duelle gewonnen. Mit der Masters-Qualifikation vor Augen gelang Bencic aber eine eindrückliche Revanche.
Erst nervös, dann glücklich
«Ich war vor dem Spiel so nervös», gab die Schweizerin zu. «Aber jetzt bin ich einfach super glücklich. Die Masters-Qualifikation war so ein grosses Ziel, und jetzt habe ich dieses in letzter Minute noch geschafft.» Zur Erinnerung: Nach vielen Verletzungsproblemen war Bencic Ende 2017 noch auf Platz 165 klassiert, die aktuelle Saison nahm sie als Nummer 37 in Angriff.
Dank des Finaleinzugs überholt sie nun im WTA-Ranking Serena Williams und Kiki Bertens und verbessert sich mindestens auf Platz 8. Die WTA Finals finden in diesem Jahr erstmals im südchinesischen Shenzhen statt und beginnen am kommenden Sonntag. Bencic ist die vierte Schweizerin nach Manuela Maleeva-Fragnière (sechs Mal als Bulgarin, von 1990 bis 1993 als Schweizerin), Patty Schnyder (1998, 2002 und 2005) sowie Martina Hingis (insgesamt acht Mal von 1996 bis 2002 und 2006), die sich für das Masters respektive die WTA Finals qualifiziert. Bis 2002 bestand dieses allerdings noch aus einem 16er-Tableau.
Der Final am Sonntag (14.00 Uhr) ist sozusagen nur noch eine Zugabe. Bencic trifft auf die Russin Anastasia Pawljutschenkowa (WTA 40), die sie in drei von vier Partien geschlagen hat, zuletzt dieses Jahr in Wimbledon. Sollte die Ostschweizerin auch den Final noch gewinnen, egalisiert sie am Montag als Nummer 7 ihren bisherigen Karrieren-Bestwert von Februar 2016.