Ohne Selbstvertrauen reiste Jakob Hlasek damals ans Swiss Open. Nicht einmal auf Rasen hatte der Angriffsspieler in den anderthalb Monaten zuvor ein Spiel gewonnen. Während sechs Monaten gelang ihm bloss noch ein Sieg gegen einen Top-100-Spieler. Permanent wurde der 30-Jährige auf den Rücktritt angesprochen.
«Ich studierte zu jener Zeit selber am Rücktritt herum», erklärt Hlasek im Rückblick. «Mir war damals klar: Wenn ich Ende Jahr nur die Nummer 100 der Welt bin, dann höre ich auf.»
Ins Gstaader Turnier startete Hlasek als Serienverlierer (11 Erstrunden-Niederlagen im letzten Jahr) und als Nummer 124 der Welt. Nur mit einer Halbfinalqualifikation konnte er sich noch direkt für das US Open qualifizieren. Aber auch das Gstaader Turnier begann für Hlasek denkbar schlecht. Gegen Thierry Guardiola (ATP 133), einen Qualifikanten, verlor er das Tiebreak des ersten Satzes nach zwei vergebenen Satzbällen mit 0:7.
Dann gelang ihm endlich der Befreiungsschlag. Das Startspiel gegen Guardiola gewann Hlasek noch in drei Sätzen (6:7, 6:2, 6:2). In den Achtelfinals gewann er gegen Alex Corretja, der sich damals auf dem Weg in die Top 10 befand, mit 7:6, 6:3. Corretja hatte am Vortag den Österreicher Thomas Muster nach sieben Turniersiegen und 40 Siegen in Folge auf Sand sensationell besiegt. In den Viertelfinals eliminierte Hlasek den Chilenen Marcelo Rios in drei Sätzen (7:6, 3:6, 6:2). Rios wurde später die bis heute einzige Nummer 1 der Welt, die nie einen Grand-Slam-Titel gewann. Und im Halbfinal feierte Hlasek auch noch einen feinen 6:4, 6:3-Sieg über Marc Rosset (ATP 10), seinen ersten Sieg überhaupt gegen den Landsmann und Olympiasieger.
Im Final, der sich wegen Regens über viereinhalb Stunden hinzog, fehlte zwar das Happy End, dennoch wähnte sich Hlasek nach der Finalniederlage gegen Jewgeni Kafelnikow (ATP 7) mindestens als zweiter Sieger. «Ich war seit dem Gewinn der Swiss Indoors vier Jahre vorher nie mehr mit einer Tenniswoche so zufrieden wie damals mit der Gstaader Woche», so Hlasek.
Das Gstaader Turnier ermöglichte Jakob Hlasek zweimal einen Höhenflug. 1988 erreichte er nach einer Verletzung in Gstaad erstmals den Final und nützte anschliessend den Schwung zu einem grossartigen Herbst (drei Turniersiege), der Halbfinalqualifikation am Masters in New Yorks Madison Square Garden und dem Vorstoss unter die Top 10.
Auch sieben Jahre später erwiesen sich die Gstaader Erfolge nochmals als Sprungbrett, auch wenn Aussichten und Ansprüche im Herbst der Karriere nicht mehr ganz so hoch waren. Hlasek erreichte nach Gstaad in Los Angeles die Halbfinals, in Bordeaux einen weiteren Final, besiegte weitere Top-10-Spieler, nahm dem damals überragenden Weltranglisten-Ersten Pete Sampras in Rotterdam einen Satz ab und beendete Ende 1996 zwei Tage nach seinem 32. Geburtstag die Karriere «nach einem Superjahr» (Zitat Hlasek). Sein letztes Einzel spielte er am Grand-Slam-Cup in München, für den er sich dank guter Leistungen an den vier Majors nochmals qualifiziert hatte, im Viertelfinal gegen Boris Becker.
Zum Zeitpunkt des Rücktritts belegte Hlasek in der Doppel-Weltrangliste immer noch den 9. Platz. In seiner Karriere gewann Jakob Hlasek 5,5 Mio. Dollar Preisgeld – den grössten Teil davon (mehr als 1,5 Mio. Dollar) in den letzten 17 Monaten nach dem Gstaader Effort.