Im verrückten Corona-Jahr ist auch am Grand-Slam-Turnier in Paris kaum etwas wie sonst: Der Anlass beginnt vier Monate später als üblich, dem Topfavoriten fehlt nach langer Pause und dem Verzicht auf das US Open die Matchpraxis, es gibt weniger Preisgeld für die Besten, über dem Court Philippe Chatrier, dem Hauptstadion, lässt sich neu ein Dach ausfahren. Und nach wie vor gelten strenge Sicherheits- und Hygienevorschriften mit intensiven Testreihen, die auch schon ihre Opfer forderten. Hinzu kommt, dass die Meteorologen für die erste Turnierwoche kühle Temperaturen sowie einiges an Regen ankündigen, und dass mit neuer Ballmarke gespielt wird. Faktoren, die dem Topspin von Nadal und Thiem etwas die Wirkung entziehen.
Vom ursprünglichen Plan, täglich 20‹000 Zuschauer zuzulassen, mussten die Organisatoren wieder abrücken. Am Donnerstag mussten sich die Veranstalter auch von der Absicht verabschieden, pro Tag 5000 Zuschauern Einlass in die Anlage zu gewähren. Nach dem aktuellsten Beschluss von Frankreichs Regierung beschränkt sich das Publikumsaufkommen nunmehr auf 1000 Personen.
Sorgen, Frust und eine Forderung
Dass das Coronavirus die Pläne durchkreuzt, scheint trotz der Vorkehrungen jeden treffen zu können. Bereits wurden mehrere Spielerinnen und Spieler ausgeschlossen, wobei die Fälle von Fernando Verdasco und Damir Dzumhur für Diskussionen sorgte. Der Bosnier Dzumhur wurde wegen Kontakts zu einem positiv getesteten Trainer aus dem Turnier genommen. Allerdings war der Trainer schon einmal infiziert, weshalb die Tests - wie bei Fernando Verdasco in Paris und Benoît Paire in Hamburg - unterschiedliche Ergebnisse liefern können. Eine erste Probe beim Trainer war wenige Tage zuvor negativ, eine dritte danach ebenfalls. Dzumhur fordert deshalb, dass künftig ein zweites Mal getestet wird, bevor Akteure verbannt werden. Etwas, was sich wegen dem eng getakteten Spielplan kaum umsetzen lässt und das auch Verdasco zum Verhängnis wurde, der im August schon einmal infiziert war.
Rafael Nadal verfolgte das Treiben bis letzte Woche von seiner Heimat Mallorca aus. Der Spanier hatte gesundheitliche Bedenken, verzichtete aber auch deshalb auf den Abstecher in die USA, weil die Vorbereitung auf das French Open beeinträchtigt gewesen wäre. Seinen 13. Roland-Garros-Titel nimmt er nun in ausgezeichneter physischer Verfassung in Angriff, aber mit sehr wenig Matchpraxis. Bei der Rückkehr in Rom überzeugte er in den ersten beiden Spielen und schied im Viertelfinal gegen Diego Schwartzman aus.
Verhindern könnten Nadals 20. Grand-Slam-Triumph in Abwesenheit von Roger Federer insbesondere Novak Djokovic und Dominic Thiem. Djokovic, der in diesem Jahr auf spielerischem Wege noch nicht zu bezwingen war, zeigte sich in Rom gut erholt von der so unglücklichen wie unrühmlichen Disqualifikation in New York. Gefahr geht auch vom US-Open-Sieger Thiem aus. Der 27-jährige Österreicher ist seit längerem der Sandprinz neben König Nadal. Stan Wawrinka seinerseits steigt mit einigen Fragezeichen ins Turnier. Dem Lausanner, der im Hauptfeld noch Gesellschaft vom allfälligen Qualifikanten Henri Laaksonen bekomme könnte, fehlen die Referenzen auf höchstem Niveau.
Halep führt Feld der Frauen an
Bei den Frauen heisst die Topfavoritin in Abwesenheit von Ashleigh Barty (WTA 1), Naomi Osaka (WTA 3) und Bianca Andreescu (WTA 7) Simona Halep. Serena Williams› Chancen auf den 24. Major-Sieg scheinen auf Sand etwas kleiner als am US Open. Gleichwohl sehen die Buchmacher die 39-Jährige im engeren Favoritenkreis. Einzige Schweizerin im Haupttableau ist nach dem Forfait von Belinda Bencic Jil Teichmann.
Halep, die auf das US Open verzichtet hat, ist seit dem Neustart ungeschlagen. Sie triumphierte in Prag und gewann die Hauptrobe in Rom. In Paris holte die rumänische Weltnummer 2 vor zwei Jahren ihren ersten von zwei Grand-Slam-Titeln.