Kräftige und breite Schultern hat Viktorija Golubic auch heute noch nicht. Doch sie hat gelernt, ihre Waffen und ihre Variationsmöglichkeiten gewinnbringend einzusetzen. Nach 28 Anläufen (inklusive Qualifikation) seit 2013 steht sie am Montag (ca. 14 Uhr Schweizer Zeit gegen Madison Keys) erstmals im Achtelfinal eines Grand-Slam-Turniers. «Man hat mir immer gesagt, ich sei eine Spätzünderin», sucht sie nach einer Erklärung. Als Juniorin galt sie nie wie Timea Bacsinszky oder Belinda Bencic als nächste Martina Hingis.
Extrem klein, extrem dünn
«Ich war extrem klein, extrem dünn», erinnert sich Golubic und lacht laut. «Wenn ich heute die 14- oder 15-Jährigen anschaue, so habe ich gefühlt mit 20 oder 22 ausgesehen.» Sie glaube, dass ihr Spieltyp, der eben nicht auf Power beruhe, etwas mehr Zeit brauche, bis alle Puzzleteile stimmten. Im Teenager-Alter stellte die Tochter eines Kroaten und einer Serbin zudem von einer beidhändigen (wie ihr damaliges Idol Monica Seles) auf eine einhändige Rückhand um, die mittlerweile zu einem Markenzeichen geworden ist. «Aber mein Einsatz und mein Wille waren gross, und ich hatte auch das Selbstvertrauen und die Überzeugung, dass ich Erfolg haben werde.»
Bereits 2016 stand sie scheinbar vor dem grossen Durchbruch, als sie im Fedcup-Halbfinal gegen Tschechien in Luzern in der Halle gross aufspielte, in Gstaad auf Sand ihr bis heute einziges WTA-Turnier gewann und in der Weltrangliste bis auf Platz 51 kletterte. Es folgten jedoch Rückschläge, auch wenn Golubic überzeugt ist: «Ich habe das Gefühl, dass ich jemand bin, der immer besser wird, auch wenn es manchmal kleine Schritte sind.»
Coach mit breitem Wissen
Vor allem das Coronajahr 2020 war alles andere als einfach. Die Zürcherin kämpfte mit einigen kleineren Verletzungen, aber erstmals auch mit der Motivation. Die grössten Stützen waren aber ihre ältere Schwester Natalija, die sie oft zu Turnieren begleitet und Coach Dominik Utzinger. Der einstige Davis-Cup-Spieler betreibt in Thailand eine Tennisakademie, in der Golubic schon vorher des Öfteren Turniere in Australien oder Asien vorbereitete. «Er begleitete mich immer wieder und seit etwa 2017 ist er mein Vollzeit-Coach.»
Während Golubic ihren ersten Achtelfinaleinzug auf dem Platz euphorisch bejubelte, schaute Utzinger fast schon stoisch zu. Es ist unter anderem diese Ruhe, die sie am Basler schätzt. «Er hat eine positive, aufbauende Art und gibt mir eine extreme Ruhe in diesem Tour-Leben, in dem man sich schnell verlieren kann.» Daneben schätzt sie natürlich auch seine Fachkompetenz. «Es verfügt über ein extrem breites Wissen, taktisch, mental, technisch. Das habe ich immer in einem Coach gesucht: dass ich weiter lernen kann.»
Bis Wimbledon verbesserte sich Golubic unter anderen dank Finals in Monterrey und Lyon von Platz 138 auf 66, nach dem Turnier wird es Position 60 oder 61 sein. Sollte sie auch noch gegen die ehemalige US-Open-Finalistin Keys eine Überraschung schaffen, würde Golubic erstmals in ihrer Karriere in die Top 50 vorstossen.