Glück. Es war das Wort, das Rafael Nadal nach seinem 6:7 (3:7), 6:3, 7:6 (7:4)-Erfolg gegen den als Nummer 4 gesetzten Russen Daniil Medwedew am meisten brauchte. «Das war mehr Glück als etwas anderes», betonte die Nummer 1 der Welt nach dem dramatischen Sieg in über zweidreiviertel Stunden. Nur: Mit Glück wehrt man vielleicht einen Matchball ab wie Nadal, es reicht aber nicht, um gegen den Aufsteiger des Jahres einen 1:5-Rückstand im dritten Satz aufzuholen. Zumal auf einen schnellen Platz gegen einen guten Aufschläger wie Medwedew (21 Asse).
«So ein Spiel gewinnst du eines von tausend», meinte der 33-jährige Spanier weiter, der bei einer Niederlage praktisch sicher ausgeschieden wäre. Vor allem gewinnt so ein Spiel fast nur Nadal, der sich im dritten Satz in gleichem Masse steigerte wie bei Medwedew die Nerven zu flattern begannen. Die Leistung ist umso höher einzustufen, als Nadal vor zehn Tagen in Paris-Bercy aufgeben und wegen einer Bauchmuskelverletzung um die Teilnahme an den ATP Finals, die er noch nie gewonnen hat, bangen musste.
Nun konnte er endgültig Entwarnung geben. «Physisch geht es mir gut», versicherte Nadal. «Und dass ich mich vom ersten auf den zweiten Match steigern konnte, obwohl ich nicht wie gewünscht trainieren konnte, ist sehr positiv.» Klar sei aber auch, dass er auf jeden Fall noch besser spielen könne und müsse.
Überragender Tsitsipas
Dank dem Erfolg in der Neuauflage des US-Open-Finals, der ebenfalls über die Maximaldistanz führte, erhöht Nadal nochmals den Druck auf Novak Djokovic, der nun zwingend das Turnier gewinnen muss, um die Nummer 1 zurückzuholen. In Sachen Halbfinals ist der 33-jährige Spanier allerdings auf fremde Hilfe angewiesen.
Stefanos Tsitsipas, wie Medwedew ein Masters-Debütant, knüpfte im Abendspiel an seine starke Leistung im Startspiel und setzte sich deutlich 6:3, 6:2 gegen den Titelverteidiger Alexander Zverev durch und qualifizierte sich damit als zweiter Spieler nach Dominic Thiem für die Halbfinals. Weil Nadal bei seinem Erfolg einen Satz abgegeben hat, reicht ihm nun selbst ein Zweisatz-Sieg am Freitag gegen Tsitsipas nicht mit Sicherheit zum Weiterkommen.
Zverev hat sein Schicksal hingegen in den eigenen Händen. Wenn er den noch sieglosen Medwedew in zwei Sätzen schlägt, ist Nadal unabhängig von seinem Resultat wegen des schlechteren Satzverhältnisses gegenüber Tsitsipas und Zverev ausgeschieden. Bereits ein Sieg gegen Tsitsipas wird für Nadal aber schwierig genug.
Der Grieche erfreut sich einer glänzenden Form, nachdem er im Sommer zwischen Juni und September eine tiefe Krise durchlebt hatte. Er ist in London noch ohne Satzverlust. Gegen Zverev sorgte er mit fünf gewonnenen Games in Folge vom 3:3 im ersten bis zum 2:0 im zweiten Satz für die entscheidende Differenz.