Möglich machte dieses Prestige-Duell Dominic Thiem, der in London gross aufspielt, sowohl Federer als auch Djokovic bezwungen und sich als Gruppensieger das Halbfinal-Ticket schon vor dem letzten Spiel gesichert hat. Der Österreicher machte damit auch alle Rechenspiele überflüssig. Wer bei Federer gegen Djokovic gewinnt, steht im Halbfinal, der Verlierer fliegt raus.
Es geht wie fast immer zwischen den beiden um viel. Federer könnte einer soliden Saison ohne Grand-Slam-Titel mit seinem siebten Triumph an den ATP Finals zusätzlichen Glanz verleihen. Djokovic würde mit dem sechsten Sieg zu Federer aufschliessen und das Jahr als Nummer 1 abschliessen. Bei einer Niederlage bleibt er hinter Rafael Nadal. All das spielt für Federer aber keine grosse Rolle. «Ich freue mich immer auf Spiele gegen Novak. Gegen ihn zu gewinnen, ist Motivation genug.»
Oft ist ihm das in der jüngeren Vergangenheit nicht gelungen. Insgesamt führt Djokovic in den Direktbegegnungen 26:22. Der Serbe gewann seit 2015 alle vier Duelle. Die letzten beiden - vor einem Jahr in Paris-Bercy und im letzten Wimbledon-Final - endeten im Tiebreak des Entscheidungssatzes. Unvergessen ist das Drama im Südwesten Londons, als Federer bei eigenem Aufschlag zweimal nur einen Punkt vor seinem 21. Grand-Slam-Titel stand. Nun erhält er 20 Kilometer weiter östlich die Gelegenheit zur Revanche.
Favorit ist Federer nicht. Da ist einerseits die jüngste Bilanz, die gegen ihn spricht. Anderseits hat der 38-jährige Basler in seinen ersten beiden Partien in der O2 Arena bei der Niederlage gegen Thiem und dem Sieg gegen Matteo Berrettini nicht überzeugt. Immerhin war er gegen den Italiener in den wichtigen Momenten präsent. Gegen Djokovic wird entscheidend sein, dass er seine - meist nicht sehr zahlreichen - Chancen konsequent nützen kann. «Gegen Novak musst du dir sicher sein, was du machen willst», erklärte Federer. «Du musst die richtige Balance finden.» Also aggressiv, aber nicht kopflos angreifen.
Den letzten Sieg gegen Djokovic errang Federer vor vier Jahren an gleicher Stätte im zweiten Gruppenspiel. Der sechs Jahre jüngere Serbe gewann aber danach mit einem Finalsieg gegen Federer den Titel. Letztmals in einem «Alles-oder-Nichts»-Spiel bezwang der Schweizer Djokovic im August 2015 im Final in Cincinnati.
Die Weltnummer 2 hatte am späten Dienstagabend nach der Niederlage gegen Thiem wenig Lust, über das bevorstehende Duell zu sprechen. «Das ist doch egal», meinte er auf die Frage, ob der gewonnene Wimbledon-Final noch einen Einfluss habe, kurz angebunden.