Bereits im Platzinterview sprach Roger Federer nach seinem 6:4, 6:3-Sieg gegen Novak Djokovic von einem «magischen» Abend. Als er dann zum Medien-Marathon antritt, ist dem 38-jährigen Basler zum Scherzen zumute.
Roger Federer, fühlen Sie sich eigentlich so jung wie sie auf dem Platz aussehen?
«Danke (lacht). Ja, ich fühle mich gut, ich fühle mich jung. Aber ich glaube, das liegt an der Frisur (schmunzelt).»
Sie waren vom ersten Punkt an «on fire». Wie haben Sie das Spiel erlebt?
«Es gibt viel, das zu so einem Match gehört. Ich sprach davor lange, wohl über eineinviertel Stunden, mit meinem Team über die verschiedenen Möglichkeiten, was passieren könnte. Wenn du auf den Platz läufst, weisst du natürlich nicht, ob etwas davon tatsächlich so kommt. Ich hatte von Anfang an einen guten Rhythmus von der Grundlinie beim Aufschlag. Das ist ein gutes Gefühl, aber anderseits bedeutet es auch nichts, denn Novak hat es in seiner Karriere unglaublich gut verstanden, dich entweder schlecht spielen zu lassen oder am Tag X einfach besser zu sein als du - oder irgendwie einen Sieg herauszupressen wie in Wimbledon (Federer verlor im Final, nachdem er zwei Matchbälle gehabt hatte - Anm. d. Red.). Es gelang mir, den Druck konstant aufrecht zu erhalten und mein Spiel gut zu variieren. Es war einer dieser Abende, an denen die Taktik genau so funktionierte wie ich dies erhofft hatte. Am Ende war es einfach ein grossartiges Gefühl.»
Ihr letzter Sieg gegen Djokovic lag schon vier Jahre zurück, 2015 hier in London. Sind die Geister vom Wimbledonfinal nun verschwunden?
«Die gab es nie wirklich. Das war eine Erfindung der Medien. Ich wusste nicht einmal, dass der letzte Sieg so lange zurück lag. Es fühlte sich nicht so an, denn letztes Jahr in Paris-Bercy und in Wimbledon war es ja sehr eng. Ich hörte es heute und realisierte, dass ich ihn seit meiner Knieoperation nie mehr geschlagen hatte. Ich weiss nicht, ob das nun gut oder schlecht war, dass ich das herausfand. Es ist natürlich immer speziell, gegen Novak zu gewinnen. Aber ich hatte nie das Gefühl, ich müsste irgendwelche Geister vertreiben. Ich brauchte nach dem Wimbledonfinal nicht sehr lange, um darüber hinwegzukommen.»
Heute würde Ihnen wohl auch Rafael Nadal danken dafür, dass Sie ihm die Nummer 1 gesichert haben?
(Schmunzelt) «Ich bin sicher, er hat zugeschaut. Aber ich war ja auch schon in dieser Position. Am Ende geht es für mich nur darum, ein gutes Turnier für mich zu spielen. Aber es ist klar, dass für Novak heute viel auf dem Spiel stand. Hätte er nicht Wimbledon gewonnen, wäre er hier vielleicht gar nicht in der Position gewesen, die Nummer 1 zurückzuholen. Weil er mich in Wimbledon geschlagen hat, war er überhaupt erst so nahe dran. Beide, Novak und Rafa, hatten ein grossartiges Jahr. Sie haben es verdient, vor mir zu stehen.»
Djokovic meinte, Spiele gegen Sie und Nadal hätten immer etwas Spezielles. Wie spüren Sie den Unterschied zu einem gewöhnlichen Match, während und nach einem Spiel?
«Am meisten merke ich es vor dem Spiel, daran, wie viel Zeit wir uns für die Vorbereitung nehmen. Heute war es über eine Stunde. Vor anderen Spielen sind es manchmal nicht mehr als fünf Minuten, wenn wir den Gegner nicht so gut kennen oder wenn sowieso alles klar ist. Gegen einen dieser Toprivalen willst du auf keinen Fall etwas unversucht lassen. Nachher bin ich mittlerweile völlig relaxt. In den letzten 15 Minuten kannst du nochmals etwas nervös werden, wenn du im Kopf nochmals alles durch gehst. Aber bei mir ist das in erster Linie eine Freude, dass es endlich los geht.»
Was sagen Sie zum Halbfinal, den Sie am Samstag entweder gegen Stefanos Tsitsipas oder Rafael Nadal bestreiten?
«Mit Tsitsipas habe ich hier trainiert, und in Basel erst kürzlich gegen ihn gespielt. Er spielt gut, nimmt den Ball vor allem auf der Vorhand unglaublich früh, kann auch gut servieren. Du darfst ihn sicher nicht zu viel spielen lassen. Er nützt jede Gelegenheit, ans Netz zu kommen, so wie ich. Deshalb ist es immer interessant gegen ihn. Es ist sicher gut, dass ich ihn die letzten beiden Male in Dubai und Basel geschlagen habe und den Trend drehen konnte, nachdem ich am Hopman Cup und am Australian Open beim Return grosse Mühe hatte. Rafa hat hier sicher noch nicht sein bestes Tennis gezeigt, aber er hat immer noch die Chance, sich zu qualifizieren. Er hat sich auf schnellen Belägen unglaublich gesteigert. Auch gegen ihn muss man immer offensiv bleiben, gerade in der Halle.»
Die letzten beiden Jahre verloren sie als Favorit im Halbfinal (gegen David Goffin und Alexander Zverev), auch dieses Mal werden Sie eher der Favorit sein. Können Sie aus den beiden Niederlagen etwas lernen?
«Die Chancen waren in beiden Matches da. Meine Gegner mussten jedenfalls sehr gut spielen um zu gewinnen. Ob ich Favorit bin oder nicht, ist völlig egal. Wichtig ist, dass ich einen sehr guten Match spielen kann. Das Selbstvertrauen ist nach einem solchen Sieg gegen Djokovic selbstverständlich vorhanden. Ich beginne aber auch nicht, bereits vom Titel zu träumen. Es geht einzig darum, im nächsten Spiel gut zu spielen. Wichtig ist, dass ich einen klaren Kopf habe. Indoor darfst du dich nicht hinterfragen. Wenn dann einer besser ist, kann ich das gut akzeptieren. Was ich nicht akzeptieren kann, ist, wenn ich vorsichtig spiele und verliere.»