Die Herausforderung war immens gegen Sinner, diesen aufstrebenden Südtiroler mit dem Können für die ganz grossen Erfolge. Doch Wawrinka mag Herausforderungen, er mag den Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Kontrahenten, er mag die Momente auf dem Platz als Aussenseiter, als der er in seinem fortgeschrittenen Alter mittlerweile oft antritt. Und er mag den Kampf vor allem vor stimmungsvoller Kulisse, die ihm zusätzliche Motivation verleiht, die in ihm Emotionen weckt, dank denen es sich für ihn immer noch lohnt, den Abschied von den Courts dieser Welt hinauszuschieben.
Das Ende der Karriere wird für Wawrinka umso weniger zum Thema, je häufiger er so spielt wie in diesem neuerlichen Generationenduell gegen den 16 Jahre jüngeren Sinner. Er sorgte dafür, dass das sechste Aufeinandertreffen mit dem Pustertaler, der im Juli in Wimbledon die Halbfinals erreicht und danach in Toronto erstmals bei einem Masters-1000-Turnier triumphiert hatte, eine ausgeglichene und entsprechend lange umstrittene und spannende Angelegenheit war.
Es war eine Partie ganz nach dem Geschmack der gut 14'000 Zuschauer im vollen Louis Armstrong Stadium, dem zweitgrössten Stadion auf der Anlage in Flushing Meadows, in jenem Kessel, in dem sich Wawrinka und Sinner schon einmal gegenübergestanden waren. Vorab Sinner erinnerte sich gut an jene Begegnung vor vier Jahren. Es war sein erster Auftritt im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Der damals 18-jährige Sinner musste sich in vier Sätzen geschlagen geben.
Wawrinka dominierte zeitweise
Zwischenzeitlich schien es möglich, dass sich die Geschichte an diesem Samstag wiederholen, Wawrinka wieder der Sieger sein könnte – zum ersten Mal gegen Sinner in diesem Jahr nach den zwei deutlichen Niederlagen im Februar in Rotterdam und im März in Indian Wells. Vorab nach dem verlorenen Startsatz spielte der Waadtländer gross auf, war er der dominierende Spieler. Der Gewinn des zweiten Satz war die logische Konsequenz.
Die sehr gute Phase Wawrinkas war eine ungemütliche für seinen Gegner. Doch Sinner fand den Weg zurück – oft auch dank gütiger Mithilfe Wawrinkas, dem im dritten Satz der eine oder andere Fehler zu viel unterlief. Sinner packte die Gelegenheit beim Schopf. Mit dem Servicedurchbruch im ersten Game des vierten Satzes stellte er die Weichen endgültig auf Sieg.
Nach knapp drei Stunden stand der Sieg fest in einer Partie, die auch für Sinner selber zur Herausforderung geworden war.