Ernst König, das internationale Sportschiedsgericht CAS hat sich im Fall Alex Wilson über den Entscheid der Disziplinarkammer für Dopingfälle von Swiss Olympic hinweggesetzt. Hat Sie das erstaunt?
Ernst König: «In der Schweiz haben wir generell nicht viele Fälle vor dem CAS, auf globaler Ebene sind solche unterschiedlichen Beurteilungen aber durchaus üblich. Es ist grundsätzlich nicht aussergewöhnlich, wenn eine übergeordnete Instanz Argumente anders interpretiert als die Erstinstanz. In dem Sinn hat es mich nicht erstaunt.»
Das CAS macht der Disziplinarkammer ziemlich direkt Vorwürfe. Sie habe Fehler bei der Beurteilung gemacht in Bezug auf die Möglichkeit, respektive die Wahrscheinlichkeit, dass die verbotene Substanz via kontaminiertes Fleisch in den Körper von Alex Wilson gelangt ist. Was sagen Sie dazu?
«Das CAS erwähnt das sehr direkt und konkret. Das erstaunt auch mich etwas. Aber wir nehmen das so zur Kenntnis, begrüssen die Aufklärung und wissen nun, was künftig gilt. Juristisch ist die Unterscheidung zwischen den Begriffen ‹möglich› und ‹wahrscheinlich› vielleicht spitzfindig. Inhaltlich ist es aber ein wesentlicher Unterschied, ob etwas möglich oder wahrscheinlich ist. Die Wahrscheinlichkeit, ob eine Aussage stimmen kann, bildet die Grundlage für ein Urteil, ob eine provisorische Sperre ausgesprochen wird oder nicht. Das CAS hat nun gesagt, dass es (Wilsons Begründung - Red.) eher unwahrscheinlich ist.»
Also glaubte die Disziplinarkammer von Swiss Olympic der Begründung von Wilson im Gegensatz zum CAS?
«Nein, die Disziplinarkammer hat eine andere Fragestellung beantwortet. Sie fragte sich, ob es möglich ist, dass Alex Wilsons Begründung stimmt. Und ja, möglich ist sie. Es ging in der Beurteilung, ob die provisorische Sperre richtig ist, aber nicht um eine materielle Würdigung der Argumente. Darauf ging das CAS gar nicht ein. Es ging ausschliesslich um die juristische Beurteilung der Frage, ob die provisorische gerechtfertigt ist. Alles andere wird im ordentlichen Verfahren geklärt.»
In der Schweiz gab es mit Kariem Hussein und Alex Wilson nun innert weniger Tage zwei Doping-Fälle. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen im Kampf gegen Doping in der Schweiz?
«Klar, uns wäre es am Liebsten, wenn es diese Fälle nicht geben würde. Sie zeigen aber, dass das System funktioniert. Und sie zeigen vor allem auch, dass es unabhängig von Namen oder von Olympischen Spielen funktioniert. Das ist sehr wichtig. Die Fälle belegen, dass wir unabhängig sind und uns nicht beeinflussen lassen, auch wenn sie vom Zeitpunkt unschön sind für den Schweizer Sport. In diesem Sinn ist es eine gute Nachricht. Die Fälle liegen zeitlich nahe beieinander, aber die Art ist nicht zu vergleichen. Es sind komplett unterschiedliche Umstände.»
Wie sind die bei Hussein (Nikethamid) und Wilson (Trenbolon) nachgewiesenen Substanzen miteinander zu vergleichen?
«Überhaupt nicht. Bei Nikethamid handelt es sich um eine Stimulanz, die zum Beispiel in einem Medikament vorkommen kann. Eine solche spezifische Substanz wird gemäss den Anti-Doping-Regularien ganz anders angeschaut als ein Mittel wie Trenbolon. Trenbolon ist eines der potentesten Anabolika, das es gibt. Das Mittel fördert direkt das Muskelwachstum, die Leistung und die Erholung, also eine ganz andere Kategorie als Nikethamid.»