Beyoncé schrieb Geschichte als neueste Rekord-Gewinnerin, ein iranisches Lied wurde von der First Lady der USA, Jill Biden, geehrt: Die Grammy-Verleihung in der Nacht auf Montag geizte nicht mit Schlagzeilen. Ebenfalls für Gesprächsstoff sorgte Pop-Ikone Madonna – allerdings nicht wegen ihrer Musik, sondern wegen ihres Gesichts.
Tatsächlich hat sich die mittlerweile 64-Jährige im Laufe der Zeit mehrerer Schönheits-Operationen unterzogen, wie folgender Vergleich belegt:
Nach der Übertragung der Preisverleihung in Los Angeles sind denn sogleich heitere Diskussionen über Madonnas Aussehen entfacht. «Ist das wirklich Madonna?», fragen die einen und wollen implizieren, dass sie kaum wieder erkennbar sei.
Die Gesellschaft ist das Problem
«Wie hat sie das getan?», fragen andere. Ein Experte für plastische Chirurgie vermutet, dass sie eine sogenannte Fadenbehandlung hinter sich habe – deshalb sei das Gesicht noch recht geschwollen. Die Fäden würden aus Polymilchsäure bestehen und unter die Haut «gefädelt». Dadurch werde die Struktur gefestigt und das Volumen aufgebaut, während sich die Polymilchsäure mit der Zeit auflöst.
Nebst dem «Wie» wird allerdings vor allem nach dem «Warum» gegrübelt – wobei sich ein durchaus gesellschaftskritischer Diskurs auftut. «Ich hasse Madonna nicht dafür, dass sie das getan hat», schreibt etwa ein Twitter-User. «Ich hasse, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der sie glaubt, sie müsse so etwas tun.»
I don’t hate Madonna for doing this to herself. I hate that we live in a society where she thinks she has to do this to herself. pic.twitter.com/I2sHBMvw5I
— Harshmallow 🏳️🌈🏴☠️ Rogue Antifa, Inc. (@Nikki2U) February 6, 2023
Dass über sie geredet wird, spricht für sie
Diverse andere User pflichten bei: Sie sei während ihrer gesamten Karriere stets Anfeindungen ausgesetzt gewesen, die auf ihr Äusseres abzielten. «Lasst sie doch in Ruhe – ihr wisst nicht, was es heisst, von Millionen von Menschen verurteilt zu werden», lautet ein Kommentar. Ein zweiter lautet: «Der Druck, jung auszusehen, ist riesig. Ich kann mir nicht vorstellen, was das für eine Ikone wie sie bedeutet.»
Die Kommentare sind legitim: Wer sind wir, um über jemanden wie Madonna zu richten? Letzten Endes muss sie sich selbst schön finden – alles andere ist irrelevant. Dass nun derart breitflächig über sie geredet wird, liegt ausschliesslich daran, dass sie eine weltbekannte (und höchst erfolgreiche) Persönlichkeit ist – irgendetwas scheint sie also definitiv richtig gemacht zu haben. Bei irgendwelchen «C-Promis» hätte sich wohl niemand darum geschert.
Die First Lady wurde ebenfalls kritisiert
So greifen auch jene Vergleiche von Frauen, die im selben Alter wie Madonna sind und sich auf Twitter nun damit preisen, dass sie «natürlich altern», zu kurz. Der gesellschaftliche Druck, dem sie zeitlebens ausgesetzt waren, lässt sich in den allerwenigsten Fällen mit jenem von Madonna messen. Dass sie auch mit 64 noch «schön» und «jung» aussehen, sei ihnen von Herzen gegönnt – gleichzeitig soll Madonna nicht verurteilt werden, bloss weil sie sich dagegen entschieden hat, vermeintlich «würdevoll» zu altern.
Dass es Prominente ihren Fans, ihren Kritikern und den Medien sowieso nie recht machen können, zeigt überdies folgendes Beispiel:
A perfect example of "Dammed if you do, dammed if you don’t" for Madonna and Dr. Biden at the Grammys. pic.twitter.com/BnfF1PcITd
— Semisan🐀 (@Semisan9) February 6, 2023
Jill Biden hatte an der Grammy-Verleihung ebenfalls einen Auftritt – danach waren ihre Halsrunzeln, die sie offensichtlich nicht straffen liess, Gesprächsthema: «Sie hätte diese verdecken sollen, so wie Madonna» – diese trug einen hohen Kragen, der ihren Hals verdeckte, musste sich aber wiederum wegen ihres Gesichts Dinge anhören. Dies zeigt: Egal, was prominente Frauen tun (oder eben nicht): Sie werden kritisiert. Eine bedenkliche Doppelmoral.
Schönheit ist...
Wer natürlich altern will, soll dies tun; wer zu Botox oder Hyaluron greifen will, ebenfalls. So einfach ist das. Was schön ist und was nicht, liegt bekanntlich sowieso im Auge des Betrachters. Dieser soll sich aber bewusst sein, dass seine Meinung bloss subjektiv ist. Im besten Fall ist sie ein Kompliment, im schlimmsten Fall kann sie verletzen. Gut möglich, dass dann erst recht jemand Druck verspürt, chirurgisch nachzuhelfen – wodurch ein Teufelskreis befeuert wird. Noch mehr Kritik, noch mehr dumme Kommentare. Man kanns eben niemandem recht machen.
War das bei Madonna auch so? «Schönheit ist dort, wo man sie findet», sang sie in ihrem Lied «Vogue» einst. Sie scheint sie für sich selbst gefunden zu haben – das ist, was zählt. Alles andere hat nicht zu interessieren.