Beim Micro-Seitensprung geht es nicht um Körperkontakt, sondern um subtile Zuneigungsbekundungen, die im ersten Moment nicht unbedingt als Treuebruch wahrgenommen werden. Micro-Cheater schreiben beispielsweise regelmässig tiefgründige Nachrichten mit einer Person und verheimlichen es dem Partner. Potenziell kritische Mitteilungen werden vorsichtshalber gelöscht, neue Passwörter eingerichtet und Telefonnummern von Flirts unter falschem Namen abgespeichert. Diese kleine Eskapade oder Flucht kann natürlich auch im realen Leben in Gesprächen auf der Arbeit oder an anderen öffentlichen Orten wie in einer Bar geschehen.
Der Drang nach sozialen Beziehungen und Anerkennung wohnt der menschlichen Existenz inne. Die Frage liegt also auf der Hand, ob Micro-Cheating trotz dessen negativ konnotierten Bedeutung überhaupt etwas Schlimmes sei oder ob das Fremdflirten sogar etwas Positives zu einer funktionierenden Partnerschaft beitragen kann.
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Fehlende Bewusstheit im Alltag
Der These, dass ein bisschen Flirten das Selbstbewusstsein und den Selbstwert stärken kann, stimmt der Aargauer Paartherapeut Thomas Schärer zu. Trotz der positiven Gefühle betont er jedoch, dass dieses Verhalten auch problematisch sein kann. «Wenn ich von aussen etwas konsumieren muss, damit ich mich gestärkt fühle, bin ich wie ein Süchtiger an der Nadel. Das hat langfristig nicht viel Erfolg», erklärt Schärer gegenüber Radio Argovia.
Gemäss dem Paartherapeuten sind sehr viele Leute unbewusst unterwegs. Das sei auch oft der Grund, warum Paare zu ihm in die Therapie kommen. «Bei uns sind viele Leute, die nicht unbedingt in einer Krise stecken, sondern merken, dass sie mit dieser Kommunikation nicht weiter kommen. Dass sie daran arbeiten müssen.» Dort spiele das Bewusstsein eine grosse Rolle. So könne die Person wahrnehmen: ‹Wieso brauche ich jetzt gerade Bestätigung oder warum brauche ich mehr Bedeutsamkeit›? «Wenn man das verstanden hat, wird man wirklich eigenmächtig», sagt der Paar-Experte weiter.
Beziehung vs. Partnerschaft
So lange man in einer Beziehung ist, voneinander bezieht, ist man gemäss Schärer unbewusst unterwegs und wird immer wieder in solche Sachen abtauchen. «Sobald man auf eine partnerschaftliche Ebene gelangt und auch die tiefsten Ängste und anderen Themen mit dem Partner oder Partnerin teilen kann, entsteht dort Wachstum. So erlangt man auch eine Unabhängigkeit», sagt Schärer weiter. Ob eine heisse Nachricht oder ein paar Komplimente auf der Arbeit verkraftbar sind oder der Grund für ein Beziehungsende ist, ist folglich immer Sache der betroffenen Person.
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