Am Anfang war die Einsamkeit, erklärt Sven Affeltranger aus Schmerikon. Er und sein Küsnachter Kollege Leonardo Reinhard hätten während der Coronapandemie sehr viel gearbeitet und an einer App getüftelt, auch an den Wochenenden – und so sei dann irgendwann sein Liebesleben zu kurz gekommen. «Also habe ich jemanden eingestellt, der mein Tinder-Profil verwaltet.»
Das hat super funktioniert, und als dann auch weitere Freunde Interesse bekundeten, war klar: Das muss professionell aufgegleist werden. So hat Jungunternehmer Affeltranger zusammen mit Reinhard schliesslich «Tinderio» gegründet – eine Dienstleistung von Ghostwritern, welche die Dating-Profile all jener Personen betreut, die selbst kaum Zeit dafür haben. «Wir wollen karriereorientierten Menschen den Rücken freihalten.»
Es braucht super Schreibkenntnisse
Sie sollen sich also weiter um Ausbildung oder Job kümmern können, ohne auf Dates verzichten zu müssen. Der Gründer erklärt: «Unsere ‹Matchmaker› übernehmen die ganze Arbeit: Nachrichten schreiben, Matches aussuchen, Dates arrangieren.» Das klappe schon sehr gut: Eine erste Testphase sei bereits abgeschlossen worden – «mit vielen erfolgreichen Dates.» Nun werde das nächste Kontingent für bis zu 30 Kunden geöffnet.
Frage: Wann ist der perfekte Match gefunden? – «Im Schnitt beim elften Date.»
Die Kundschaft ist übrigens mehrheitlich männlich, sagt Affeltranger – aus einem einfachen Grund: «Bei Männern geht es eher darum, überhaupt Matches generieren zu können. Frauen müssen in erster Linie aussortieren und die passenden Matches finden.» Das dürfe und solle sich aber durchaus ändern. Tinderio garantiere allen, dass sie auf Dates gehen können.
«Das Endziel ist jeweils natürlich, dass die Kunden diesen einen Match finden, mit dem sie sich eine Beziehung vorstellen können.» Affeltranger sagt, das klappe mit «Tinderio» bereits gut. «Unsere Angestellten haben sehr gute Schreib-Kenntnisse. Und sie bauen ein sehr enges Verhältnis zu den Kunden auf, die sich ihnen anvertrauen müssen.»
Der Kunde muss sich öffnen
Das sei eine wichtige Voraussetzung – «ohne Einsatzbereitschaft klappts nicht.» Dazu gehört auch: Fotoshootings machen. Und natürlich: Auf die Dates gehen. «Morgens haben wir jeweils eine Sitzung, bei der wir uns austauschen. Was ist der Stand bei den einzelnen Kunden? Wo müssen wir mehr investieren?»
Kann der Kunde die Nachrichten denn immer zuerst absegnen? – «Ja.»
Nichts wird dem Zufall überlassen: Die feinen Facetten des eigenen Schreibstils oder des jeweiligen Dialekts würden genauso in die einzelnen Nachrichten hineinfliessen wie sonstige, teils sehr persönliche Informationen. Deshalb sei wichtig, dass die Kunden sich öffnen und den ‹Matchmakern› anvertrauen – «nur so kann der richtige Match gefunden werden», betont Affeltranger.
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Die Künstliche Intelligenz solls richten
Hierfür werden von Beginn weg intensive Gespräche mit den Kunden geführt: «Wir erstellen einen sogenannten ‹Avatar› mit den Vorlieben und Präferenzen – Charakterzüge, Aussehen und so weiter. Danach ist es ein fortlaufender Prozess», schildert Affeltranger. «Wir geben den Kunden alle potenziellen Matches durch. Er oder sie kann dann entscheiden, bei welchen wir weiterfahren sollen.» Basierend auf diesen neuen Erkenntnissen werde der «Avatar» ständig weiterentwickelt.
Wie viel kostet die Dienstleistung? – «Je nach Kunde zwischen 895 und 1200 Franken im Monat.»
Den ‹Matchmakern›, die auch die Profile von Affeltranger und Reinhard weiterhin betreiben, können sie dadurch angemessene Studentenlöhne auszahlen. Derzeit sind vier angestellt. Mittelfristig sollen es mehr werden – langfristig aber weniger. Affeltranger erklärt: «Wir sind Teil eines ETH-Projekts. Ziel ist, die Künstliche Intelligenz so aufzugleisen, dass diese viel Arbeit übernehmen kann.» Stand jetzt brauche es den Menschen zwar noch – datenbasierte Arbeit habe aber riesiges Potenzial.
Hat ein Match schon mal gemerkt, dass da jemand von Tinderio am Werk war? – «Nein.» Ein erstes Tinderio-Pärchen gibt es bisher aber noch nicht.