Auf dem roten Teppich in Cannes wurden der 67-jährige japanische Hauptdarsteller und Regisseur Wim Wenders (77) am Donnerstagabend vom grösstenteils japanischen Filmteam begleitet.
Film porträtiert japanische Reinigungskraft für Toiletten
«Perfect Days» ist ein sehr meditativer Film. Fast dokumentarisch folgt die Kamera Hirayama, der als Reinigungskraft für Toiletten arbeitet und mit seinem einfachen Leben zufrieden zu sein scheint. Er lebt allein, liest gerne und hört Rockmusik. Bevorzugt auf Kassetten, die er auf der Fahrt zur Arbeit in seinem Daihatsu-Minibus hört.
Zum Sound von The Animals, Patti Smith oder Velvet Underground sehen die Zuschauer seinen Bus in den Strassen von Tokio entlangfahren – und sie begleiten Hirayama auf seiner Arbeit in besonders schön gestalteten Toiletten. Im Zuge des Projekts «The Tokyo Toilet» haben Star-Architekten Klos in Tokio designt. Eine hat zum Beispiel bunte, transparente Türen, die undurchsichtig werden, sobald man sie verschliesst.
Wenders ist Japan-Fan
Dass Wenders eine Affinität zu Japan hat, ist bekannt. «Der Grund, hinzukommen war erstens: Heimweh nach Tokio», sagte Wenders der dpa in einer Presserunde in Cannes.
«Ich war fast zehn Jahre nicht da und hab' auch zwei Reisen verpasst durch die Pandemie. Und dann kam diese Einladung, ob ich mir nicht diese Toiletten-Paläste anschauen wollte.» Er habe sich das Projekt angesehen und gedacht: «Das interessiert mich. Dass so grosse Architekten so kleine Sachen bauen und die dann der Allgemeinheit gehören.»
1985 veröffentlichte Wenders die Dokumentation «Tokyo-Ga» über den japanischen Regisseur Yasujiro Ozu, den er als Vorbild bezeichnet. Wenders lobte Ozu in der Doku für seine Fähigkeit, «Augenblicke der Wahrheit» zu finden: Momente, in denen Menschen und Dinge sich so zeigen, wie sie sind. Dieses Ziel hat Wenders auch in «Perfect Days».
«Bist du nicht einsam?»
Die Zuschauer sehen Hirayama in den Himmel schauen. Die Schatten verfolgen, die die Sonne durch Blätter wirft. Für diesen Lichteffekt gebe es im Japanischen ein Wort, erzählte Wenders in Cannes: «Komorebi». «Ein Schauspiel, das sehr vergänglich ist und das eigentlich nur für den, der gerade guckt, da ist.»
«Bist du nicht einsam?», fragt sein junger Kollege Hirayama einmal. Doch diesen Anschein macht er nicht. Obwohl er sich nicht mit Freunden oder Familie trifft, ist er nicht allein. In seiner Pause, beim Essen oder im Park begegnen ihm die immer gleichen Leute, mit denen er in friedlicher Koexistenz verweilt.
Nach und nach erfahren die Zuschaueer etwas mehr über Hirayamas Vergangenheit. An einem Tag kommt plötzlich seine Nichte zu ihm, die er lange nicht gesehen hat. Sie hat Probleme mit ihrer Mutter. Als diese schliesslich ebenfalls zu Hirayama nach Hause fährt, werden Details der gemeinsamen Vergangenheit angedeutet. So kommt Hirayama wohl eigentlich aus einer privilegierten Familie. Seine Schwester, die im Luxusauto vorfährt, ist geschockt, dass ihr Bruder tatsächlich als Reinigungskraft arbeitet.
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Doch Hirayama lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. «Nächstes Mal ist nächstes Mal», sagt er zu seiner Nichte. «Jetzt ist jetzt.»
(sda/lol)