Quelle: ZüriToday / Maarit Hapuoja
Im Nachtflieger von Riga nach Tampere sassen am frühen Freitagmorgen einige Schweizer. Liga-Direktor Denis Vaucher, Verbandspräsident Michael Rindlisbacher beispielsweise, aber auch Nationalmannschaftsdirektor Lars Weibel. Sie waren auf dem Weg zum Kongress des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF) im Haupt-Spielort der WM. Die Spieler folgten ihnen nicht nach - überraschenderweise nicht. Sie flogen stattdessen am Freitag via Helsinki nach Hause.
Die Vertreter des Schweizer Verbandes werden in den nächsten Wochen gefordert sein, das neuerliche Scheitern im WM-Viertelfinal gegen ein biederes, aber kämpferisch überzeugendes und kompaktes Deutschland (1:3) schonungslos zu analysieren. So viel Freude die Nationalmannschaft seit einigen Jahren in den Vorrunden macht, so regelmässig scheitert sie in den Viertelfinals seit dem Silber-Coup von 2018 mehr oder weniger kläglich.
Hohe Ziele sind richtig
Wer sich hohe Ziele steckt, kann auch tief fallen. Sind die Ziele zu hoch? Ja und nein. In der Weltrangliste belegt das helvetische Hockey den 7. Platz. Da darf man den Viertel-, aber nicht den Halbfinal fordern. Aber man darf erwarten, dass man die Chance packt, wenn sich im Viertelfinal ein schlagbarer Gegner präsentiert.
«Ohne fehlenden Respekt - aber in diesem Jahr mit dieser Mannschaft müssten wir Deutschland schlagen», hatte Weibel ein paar Stunden zuvor gesagt. Mit Lettland, das am Samstag auf den Rekord-Weltmeister Kanada trifft, den USA und Deutschland stehen mindestens drei Teams im Halbfinal, die auf dem Papier schwächer besetzt sind als die Schweiz.
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Einmalige Chance verpasst?
Angesichts der schwächelnden Grossmächte Finnland und Schweden sowie dem Ausschluss von Russland und der Star-Truppe, die Patrick Fischer zusammen hatte, muss man von einer verpassten Chance sogar auf den Weltmeistertitel sprechen, den man sich für irgend einmal zum Ziel gesetzt hat. Es ist fraglich, ob die Konstellation noch einmal so gut zusammenpasst.
Da stellt sich automatisch die Frage nach dem Trainer. Dieser versteckt sich im schwierigen Moment nicht. «Ich bin auch von mir enttäuscht, dass ich es nicht fertig gebracht habe, dass wir heute den besten Match spielen. Einmal mehr», stellte Fischer zerknirscht fest. «Es ist wirklich mühsam, dass wir wieder denen recht gegeben haben, die sagen, dass wir nicht bereit sind, wenn es darauf ankommt.»
Lars Weibel, Fischers direkter Vorgesetzter, kündigte eine schonungslos ehrliche Analyse an, wie sie das immer machen würden. Die Zeit drängt einigermassen, der Vertrag Fischers läuft noch ein Jahr, danach stehen 2026 schon bald Olympische Spiele und eine Heim-WM an. Man müsste bald entscheiden, ob man verlängert oder sich auf die Suche nach einem Nachfolger macht. Geht es nach Weibel, scheint der Fall klar. «Er macht einen super Job. Er hat das Schweizer Hockey dahin gebracht, wo es jetzt ist.» Bei Fischer tönte es im Moment der Enttäuschung nicht ganz so klar. «Wir werden sehen, ob ich das Vertrauen der Mannschaft noch habe.»
Fischer offenbarte in den letzten Jahren klare Schwächen im Game-Management. Er konnte von der Bank in den entscheidenden Momenten, wenn Spiele auf der Kippe standen, keine Impulse geben. Auch der Formaufbau stimmte wiederum nicht, obwohl man das nach den Erfahrungen vom letzten Jahr - wo man ebenfalls nach einer brillanten Vorrunde im Viertelfinal ausgebrannt wirkte - explizit ändern wollte.
Wer, wenn nicht Fischer?
Kompliziert wird die Frage nach dem Trainer durch die unbestritten grossen Qualitäten Fischers. Er ist mit seinen drei Landessprachen und seiner Begeisterungsfähigkeit die perfekte Verkörperung der angestrebten Swissness. Sein Team spielt attraktiv, die Fans kommen gerne. Und er hat eine Atmosphäre geschaffen, in der sich die Spieler wohl fühlen und auch als Mehrfach-Millionäre aus der NHL gerne kommen.
Doch lässt ihnen Fischer vielleicht zu viele Freiheiten, sodass sie im entscheidenden Moment nicht parat sind? Es fällt auf, dass gegen Deutschland vor allem die hochgelobten NHL-Stars versagt haben. Bei den Siegen gegen Kanada und Tschechien sowie dem Aus gegen Deutschland hiessen die Besten nicht Kevin Fiala, Nico Hischier oder Nino Niederreiter, sondern Tanner Richard, Gaëtan Haas oder Andres Ambühl.
Schliesslich stellt sich die Frage, wer Fischer ersetzen könnte. Wenn das Credo der Swissness weiter gelten soll, sind die Alternativen dünn gesät. In der National League gibt und gab es nur sehr wenige Schweizer Trainer. Und eine Garantie, dass man mit einem anderen besser oder auch nur gleich gut wäre, gibt es ebenfalls nicht. Dafür war die Schweiz in den letzten Jahren zu gut - wenn auch zu selten in den entscheidenden Spielen.
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