In einem historischen Schritt hat Grossbritannien die Europäische Union verlassen. Das Vereinigte Königreich vollzog um Mitternacht Brüsseler Zeit (23.00 Uhr Ortszeit) den Brexit und trat damit als erstes Mitgliedsland aus der EU aus.
Grossbritannien hatte dem Staatenverbund 47 Jahre lang angehört. In einer Übergangsphase bis Jahresende sollen nun die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien ausgehandelt werden.
Feierlichkeiten auf Sparflamme
Die offiziellen Feierlichkeiten für den historischen Moment wurden betont schlank gehalten. Kein Feuerwerk, kein Kanonendonner, nicht einmal das Londoner Wahrzeichen Big Ben läutete zum Abschied der Briten. Der Uhrturm des Parlaments in London wird derzeit restauriert und hätte extra dafür hergerichtet werden müssen.
Das lehnte die Regierung trotz Forderungen von Brexit-Hardlinern ab. Im Regierungssitz Downing Street wurde mit englischem Schaumwein angestossen, nachdem eine auf das Gebäude projizierte Uhr den Countdown bis zum Austritt angezeigt hatte.
Hintergrund für die Zurückhaltung war die fortdauernde Spaltung des Landes, wie Premierminister Boris Johnson zugab. Jüngsten Umfragen zufolge lehnen 53 Prozent der britischen Wähler den EU-Austritt inzwischen ab.
Brexit entzweit das Land
Die Briten hatten im Juni 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt: 52 Prozent der Bürger votierten damals für den Austritt, 48 Prozent dagegen.
Das Referendum entzweite das Land und paralysierte die britische Politik. Es folgten jahrelange zähe Verhandlungen, mehrfach musste der Brexit verschoben werden.
Nun ist es aber so weit. Um die zahlreichen Brexit-Gegner im Land nicht vor den Kopf zu stossen, beging die britische Regierung den historischen Tag ohne viel Aufhebens.
Johnson kündigt neue Ära an
Eine Stunde vor dem EU-Austritt kündigte Premierminister Boris Johnson eine «neue Ära der freundschaftlichen Zusammenarbeit» mit der Europäischen Union an. Das Verlassen der EU sei für das Königreich kein Ende, sondern ein Anfang.
Für viele Menschen sei dies ein erstaunlicher Moment der Hoffnung, ein Moment, von dem sie dachten, er würde niemals kommen, sagte Johnson. Natürlich gebe es auch viele, die ein Gefühl der Angst und des Verlusts verspürten.
«Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe, vielleicht die grösste, die sich Sorgen gemacht hat, dass der ganze politische Streit niemals ein Ende haben würde», erklärte Johnson. Er habe Verständnis für all diese Gefühle.
Schritt nach vorn nötig
Aufgabe seiner Regierung sei es nun, das Land wieder zusammen- und voranzubringen, fügte Johnson hinzu. Die EU habe viele bewundernswerte Eigenschaften, in den vergangenen Jahrzehnten habe sie sich aber in eine Richtung entwickelt, die nicht mehr zu diesem Land passt.
In der nun beginnenden elfmonatigen Übergangsphase wird sich für die Bürger erst einmal nichts ändern. London und Brüssel werden bis zum 31. Dezember über ihre künftigen Beziehungen und insbesondere ein Freihandelsabkommen verhandeln.