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Jimmy Carter ist 100 Jahre alt geworden – und hat nur noch einen Wunsch

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Jimmy Carter ist 100 Jahre alt geworden – und hat nur noch einen Wunsch

· Online seit 03.10.2024, 10:35 Uhr
Am 1. Oktober 1924 ist Jimmy Carter zur Welt gekommen, am Dienstag feierte er seinen 100. Geburtstag. Der gesundheitlich angeschlagene Ex-Präsident der Vereinigten Staaten hat vor seinem Tod aber noch einen Wunsch.
Olivier Meier / watson
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Es war seine bitterste politische Niederlage und eine grosse Demütigung.

1980 unterlag Jimmy Carter seinem Kontrahenten Ronald Reagan bei der Wahl zum US-Präsidenten. Die zahlreichen Krisen seiner Amtszeit – eine hohe Inflation und vor allem die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft im Iran, die im Wahlkampf omnipräsent war – wurde ihm zum Verhängnis. Es war mit 49 zu 489 Wahlmänner-Stimmen ein Erdrutschsieg zugunsten Reagans.

Bis heute halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass die Republikaner damals einen Deal mit dem Teufel eingingen. So sollen sie die Freilassung der Geiseln im Iran verzögert haben, um die Wiederwahl Carters zu verhindern. Die ganze Wahrheit dahinter wird man wohl nie erfahren, obwohl sich in den letzten Jahren die Anzeichen verdichtet haben, dass die Republikaner tatsächlich geheime Gespräche mit dem Mullah-Regime geführt haben.

Humanitäres Engagement

So oder so endete die Amtszeit des Jimmy Carter am 20. Januar 1981. Während er während seiner Amtszeit und auch danach noch als sehr glückloser Präsident gegolten hat, änderte sich die öffentliche Meinung über den im Südstaat Georgia geborenen Carter nach seiner Abwahl nach und nach, er erlangte den Ruf als «bester Ex-Präsident» des Landes.

Nach seiner Abwahl nahm die zweite Karriere von Carter Fahrt auf: als unermüdlicher Kämpfer für Demokratie, Frieden und Menschenrechte. Er gründete unter anderem das «Carter Center für Menschenrechte» und war in verschiedenen Konflikten als Vermittler im Einsatz. Auch innenpolitisch kämpfte er weiter für seine Ideale, so unterstütze er zum Beispiel die Ehe für alle und sprach früh über den Klimawandel. Für sein humanitäres Engagement erhielt er 2002 den Friedensnobelpreis.

Rosalynn Carter als Fels und Brandung

Ein wichtiger Teil Carters war zeitlebens seine Ehefrau Rosalynn. Die beiden waren 77 Jahre verheiratet und blieben dies auch bis zu ihrem Tod im November 2023. Carter sprach von ihr als gleichberechtigte Partnerin bei allem, was er je erreicht habe. «Solange Rosalynn auf der Welt war, wusste ich immer, dass mich jemand liebte und unterstützte», sagte er nach ihrem Tod.

Auch Rosalynn Carter engagierte sich zusammen mit ihrem Mann humanitär an vielen Fronten und setzte sich immer wieder für ihre Ideale ein. Besonders eine Anekdote wird in US-Medien immer wieder gerne aus den Archiven geholt.

Als Carter 1971 ins Gouverneur-Haus in Atlanta einzog (Carter war von 1971 - 1975 Gouverneur von Georgia), war es damals üblich, dass die Bediensteten verurteilte Straftäter waren. Rosalynn Carter bat darauf die junge Afroamerikanerin Mary Prince Fitzpatrick, eine zu lebenslanger Haft verurteilten Mörderin, sich als Kindermädchen um ihre Tochter Amy zu kümmern. Dank Rosalynns tatkräftiger Fürsprache überzeugte sie die Familie von der Unschuld Fitzpatricks.

Nach dem Umzug der Carters 1975 kehrte sie ins Gefängnis zurück, 1977, zur Zeit Carters Präsidentschaft, erwirkte er die Freilassung Fitzpatricks und agierte offiziell als ihr Bewährungshelfer. Auch während der Zeit im Weissen Haus kümmerte sie sich als Kindermädchen um Amy und zog nach der Präsidentschaft mit der Familie zurück nach Georgia.

2005 ergab eine eingehende Prüfung ihres Falles durch den Obersten Gerichtshof in Georgia ihre Unschuld und sie wurde freigesprochen. Die Carters und vor allem Rosalynn und Fitzpatrick blieben ein Leben lang Freunde.

Seit 2023 in palliativer Pflege

Am Dienstag ist Carter 100 Jahre alt geworden. Seit Anfang 2023 hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Damals hiess es, dass Carter «die ihm verbliebene Zeit zu Hause mit seiner Familie verbringen will.»

In seinem Haus in der Kleinstadt Plains in Georgia erhält Carter, der seit 2015 an Krebs leidet, palliative Pflege. Einer seiner Enkel, Jason Carter, sagte im September, dass es seinem Grossvater gut gehe, er aber «körperlich sehr beeinträchtigt» ist.

Ein letzter Wunsch

Erst kürzlich sagte Jason Carter dem «Atlanta Journal–Constitution», dass der ehemalige Präsident vor seinem Tod nur noch einen Wunsch habe: Er will bis zur US-Präsidentenwahl im November am Leben bleiben, damit er seine Stimme Kamala Harris geben kann.

Carter muss also noch gut zwei Wochen durchhalten. Am 15. Oktober startet in Georgia der Zeitraum für die vorzeitige Stimmabgabe, dann kann er seine Stimme per Briefwahl für die demokratische Präsidentschaftskandidatin abgeben.

Und in Georgia würde Carters Stimme auch dann noch zählen, würde er noch vor der Wahl am 5. November sterben.

Es ist der letzte Wunsch eines Ex-Präsidenten, der mehr war als der Mann, der gegen Ronald Reagan verloren hat. Der mehr war als ein Symbol der Ohnmacht während der Geiselnahme im Iran. Mehr als ein Sinnbild eines schwachen Führers in Krisenzeiten.

Sondern – um es in den Worten des Nobelpreiskomitees zu sagen – ein Mann mit «jahrzehntelangem, unermüdlichem Einsatz für friedliche Lösungen internationaler Konflikte, der sich für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten sowie für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung» eingesetzt hat.

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veröffentlicht: 3. Oktober 2024 10:35
aktualisiert: 3. Oktober 2024 10:35
Quelle: watson

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