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Kamala Harris begibt sich ins mediale «Feindesland» – so schlug sie sich bei Fox

Analyse

Kamala Harris begibt sich ins mediale «Feindesland» – so schlug sie sich bei Fox

· Online seit 17.10.2024, 06:36 Uhr
Kamala Harris trat zum Interview beim ihr wenig positiv gesinnten US-Sender Fox News an. Es wurde hitzig. So schlug sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin.
Nico Conzett / watson
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Donald Trump hatte natürlich trotzdem etwas zu motzen. Da sagt Kamala Harris in der heissen Phase des US-Wahlkampfs einem Interview beim konservativen und ihr gegenüber kritischen Sender Fox zu – Trump hatte ähnliche Interview-Konstellationen bei CNBC und CBS zuletzt kurzfristig platzen lassen – und dann beschwert sich der streitbare Ex-Präsident vor allem über eines: Moderator Bret Baier, der das Gespräch führen soll, sei viel zu zaghaft, zu harmlos.

Trump hätte natürlich bevorzugt, wenn einer seiner Fox-Propaganda-Lautsprecher wie Sean Hannity oder Laura Ingraham Harris in die Mangel hätten nehmen dürfen.

Nun, nachdem das Interview in der Nacht auf Donnerstag (Schweizer Zeit) über die Bühne ging, ist eines klar: Trump hat sich zu Unrecht über Baier beschwert. Der Fox-Moderator rückte Harris nämlich ebenfalls auf die Pelle, aber richtig.

Hier sind einige nennenswerte Momente aus dem Fox-Interview der Demokratin.

Schlagabtausch zu Beginn

Vielleicht hatte Moderator Baier Trumps vorgezogene Kritik im Hinterkopf, als er ins Gespräch einstieg und wollte zeigen, dass er durchaus giftig sein kann. Er verlor nämlich keine Zeit. Direkt nach der Begrüssung ging er zu dem Thema über, bei dem Harris politisch die grösste Angriffsfläche besitzt: der Migration. Und lieferte sich einen Schlagabtausch mit der Demokratin.

Als Erstes wollte er von Harris wissen, wie hoch sie die Zahl illegaler Migranten, die unter ihrer und Joe Bidens Zeit an der Spitze des Landes ins Land kam, schätze. Harris wich ein erstes Mal aus:

Baier unterbrach Harris und insistierte: «Nur eine Zahl. Denkst du, es ist eine Million, drei Millionen?» Harris wich erneut aus:

Erneut fiel ihr Baier ins Wort, zählte dann Zahlen auf und setzte zu einem Monolog an. Harris war offenbar überrascht von der harten Gangart: «Lass mich doch ausreden, ich war noch nicht fertig.» Und als Baier trotzdem fortfuhr und kurz einschob, dass man gleich zu ihrer Antwort auf die Frage käme, entgegnete Harris lächelnd, aber sichtlich irritiert:

Doch Baier setzte seinen Monolog fort, der schliesslich mit der Frage, ob Harris ihre Entscheidungen zur Migrationspolitik während ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin bereue, endete. Als der Moderator ihr, als sie wieder zur Antwort ansetzte, erneut ins Wort fiel, wurde es Harris zu bunt. Sie senkte ihre Stimme und wies Baier scharf, aber zunächst ruhig zurecht:

Baier daraufhin kleinlaut:

Harris erklärte dann, dass man das Migrationsproblem von Beginn prioritär behandelt habe und eine Vielzahl an Massnahmen, wie beispielsweise strengere Strafen, getroffen habe. Es sei klar, dass es noch mehr zu tun gebe.

Dabei kritisierte sie auch Trump und die Republikaner, welche das Problem bewirtschaften, anstatt lösen wollten. Das amerikanische Volk wolle eine Diskussion über Migration führen, es wolle aber keine «politischen Spiele» – was genau das sei, was Trump und ein Teil der Republikaner tun würden.

Der Ausschnitt des Gesprächs zur Migration:

Harris «distanziert» sich von Biden

Interessant wurde es erneut, als Baier Harris auf eine Antwort von ihr in einem Interview diese Woche ansprach. Auf die Frage, ob sie in den vergangenen dreieinhalb Jahren etwas anders als Joe Biden gemacht hätte, hatte Harris entgegnet:

Das Fox-Interview gab ihr nun die Möglichkeit, diese etwas ungeschickte Aussage zurechtzurücken. Und tatsächlich distanzierte sich Harris ein Stück weit von ihrem jetzigen Chef. Sie werde neue Ideen ins Weisse Haus bringen, sie vertrete eine neue Generation von Führungskräften – was als Verweis auf das Alter sowohl von Donald Trump (78) als auch Joe Biden (81) ausgelegt werden konnte.

Sie werde ihre eigenen Lebens- und beruflichen Erfahrungen sowie Führungsqualitäten in das Amt einbringen, so Harris.

Baier bleibt angriffig und drängt Harris in die Defensive

Auch wenn die Gesprächskultur nach dem Schlagabtausch zu Beginn etwas gesitteter wurde und Baier Harris in der Folge weniger unterbrach, blieb der Moderator angriffig. Und die andauernden zugespitzten Fragen setzten der Demokratin zu. Bisher galt es als ihre grosse Qualität, dass sie im Wahlkampf einen stets bedachten und besonnenen Eindruck machte – ganz im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten Trump.

Doch Baier schaffte es, Harris zu kitzeln. Sie verlor zwar nie die Fassung, wurde aber in einigen Momenten sichtbar emotional und etwas unsouverän. Beispielsweise als Baier sie mit einer Umfrage konfrontierte, in der 79 Prozent der Befragten angaben, dass die USA auf dem «falschen Weg» seien. Das sei doch logischerweise auf die dreieinhalb Jahre zurückzuführen, in der sie und Biden im Weissen Haus sitzen, so Baier.

Harris entgegnete etwas kindisch:

Auch als sie dann zu einer ernsthaften Antwort ausholte, konnte sie nicht wirklich mit einer stringenten Argumentation überzeugen.

Harris weist Fox zurecht

Ihren vielleicht besten Moment im Interview hatte Harris dann aber, als sie wieder sehr ernst und überzeugt den Sender, bei dem sie gerade sass, zurechtwies.

Es ging um eine Aussage Donald Trumps von vor einigen Tagen, als er Leute, die mit ihm politisch nicht einer Meinung sind, als «Feinde im Inneren» bezeichnete und erklärte, man müsse mit dem Militär gegen sie vorgehen.

Baier zeigte einen Clip, in dem Trump in einem Fox-Format zu dieser Aussage befragt wurde. Trump behauptete darin, seine Kommentare würden übertrieben dargestellt und er sei derjenige, der zum Feind gemacht werde. Er riss zudem einen Witz und verharmloste damit seine Aussagen.

Harris liess das nicht so stehen und warf Fox vor, wichtigen Kontext zu verbergen:

Baier versuchte in der Folge, den gezeigten Clip zu verteidigen, doch Harris blieb klar und deutlich:

Fazit

Es war zweifellos keine leichte Aufgabe, an die sich Harris herangewagt hatte. Das Interview war offensichtlich viel kritischer als jene, die sie zuvor ihr freundlich gesinnten US-Medien gegeben hatte. Moderator Bret Baier war entgegen Donald Trumps Befürchtung sehr hartnäckig und wohl auch nicht immer ganz fair.

Zu einem Desaster, wie das von einigen Beobachtern im Vorfeld befürchtet worden war, wurde das Gespräch für Harris aber nicht. Obwohl sie teilweise etwas ab der Spur geriet, reagierte sie auch mehrfach gut auf Angriffe Baiers und wies diesen – und sogar seinen ganzen Sender – scharf zurecht. Besonders als sie Fox vorwarf, die demokratiefeindlichen und faschistisch gefärbten Aussagen Trumps zu verheimlichen oder zumindest zu verharmlosen.

Man könnte zusammenfassend sagen: Harris meisterte die Herausforderung nicht exzellent, aber definitiv auch nicht so schlecht, als dass dieses Interview am Ende einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl haben könnte.

veröffentlicht: 17. Oktober 2024 06:36
aktualisiert: 17. Oktober 2024 06:36
Quelle: watson

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