Fast 400 Menschen warten in Tiefkühlkammern in den USA oder in Russland darauf, dass die Wissenschaft Wege findet, sie wieder zum Leben zu erwecken. Kurz nach ihrem Tod haben sie sich einfrieren lassen, bei minus 196 Grad Celsius lagern sie nun in flüssigem Stickstoff. Das Ganze nennt sich Kryonik. Die Idee dahinter ist einfach: Ähnlich wie bei Lebensmitteln, die im Gefrierschrank länger haltbar sind, will man mit der Kryonik Menschen so lange haltbar machen, bis die Medizin der Zukunft die Patientinnen und Patienten wiederbeleben und ihre Krankheiten heilen kann.
Bisher mussten Europäerinnen und Europäer dafür nach ihrem Tod in die USA oder nach Russland gebracht werden. «Das ist aufwendig und unsicher», sagt Patrick Burgermeister, der bekannteste Kryoniker der Schweiz, im «Beobachter» dazu. Deshalb baue eine Basler Stiftung momentan in Rafz die erste Kryonikanlage Europas, heisst es im Artikel weiter.
Frostschutzmittel in den Adern
Für das Einfrieren von Menschen führen die Kryonikanbieter alle eine ähnliche Prozedur durch: Sobald ein Mensch klinisch tot ist, muss der Körper innert Minuten an eine Herz-Lungenmaschine angeschlossen werden. Dort wird mit einer Infusion Frostschutzmittel in die Arterien geleitet, während die Körperflüssigkeiten herausgepumpt werden. Der Körper wird im Anschluss schrittweise auf minus 196 Grad abgekühlt und dann in einem Tank voll von flüssigem Stickstoff gelagert.
Kryokonservierung gibt es heute schon
Die sogenannte Kryokonservierung, also das Verfahren, mit dem Zellen eingefroren werden, um sie später wieder verwenden zu können, ist an sich nichts Neues. Angewendet wird es etwa bei Eizellen oder Spermien. Entwickelt wurde die Methode für Krebspatientinnen. Bei der Chemotherapie werden Eizellen oft irreparabel beschädigt, für betroffene junge Frauen ist die Entnahme und das Einfrieren der Eizellen vor der Behandlung oft die einzige Chance auf Kinder. Nach dem Auftauen können diese ihre normalen Prozesse wieder aufnehmen.
Eine Wette auf die Zukunft
Bei ganzen Organen, geschweige denn bei ganzen Menschen, funktioniert das aber bisher nicht. Nach dem Tod starten im Körper gewisse Verfallsprozesse, die man, Stand jetzt, nicht wieder rückgängig machen kann. Ausserdem bereitet das Einfrieren selbst Probleme: Werden Zellen nicht auf die richtige Weise eingefroren, können sich Eiskristalle bilden und die Zellen zerstören. Etwa wie bei Obst, das nach dem Auftauen matschig ist. Ganze Organe und ganze Menschen bestehen aus vielen verschiedenen Zelltypen, die wiederum auf verschieden Arten gefroren werden müssten. Weiter müsste man das toxische Frostschutzmittel nach dem Einfrieren wieder aus allen Zellen entfernen und die Krankheiten, an denen die Kryonikerinnen und Kryoniker gestorben sind, die müssten geheilt werden können.
Fakt ist also: Nach heutigem Stand der Medizin ist eine Wiedergeburt nach dem Tod reine Science-Fiction. Kryoniker wetten aber auf die Zukunft. «Es kann sein, dass es niemals gelingt, Menschen wieder zum Leben zu erwecken. Aber ich bin überzeugt, dass die Chance grösser ist als null», sagt der Schweizer Kryoniker Patrick Burgermeister dazu gegenüber dem «Beobachter».
Nur das Hirn ist günstiger
Diese Wette auf die Zukunft ist jedoch nicht ganz günstig. Die Firma Tomorrow Biostasis, die in Rafz eine Tiefkühlanlage baut, verlangt zwischen 200'000 und 300'000 Franken für die Haltbarmachung. Es gibt aber auch eine Art Versicherung, bei der man (während man noch lebt) monatlich zwischen 40 und 100 Franken bezahlt. Inklusive ist da die Konservierung, aber auch der Transport und die Wiederbelebung. Günstiger davon kommt man, wenn man nur das Gehirn einfriert, nach Angabe der Kryonik-Institute in den USA ist man da schon ab 80'000 Dollar mit dabei.