Die Regierungen in Ungarn und Polen befürchten, dass das neue Verfahren vor allem gegen sie eingesetzt werden soll. Sie haben deshalb Klage gegen die Verordnung beim EuGH eingereicht - das Verfahren läuft noch. Die EU-Kommission wollte den Mechanismus eigentlich erst auslösen, wenn der EuGH über die Klagen von Ungarn und Polen entschieden hat. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte aber bereits angekündigt, dass sie Briefe verschicken könne, um Informationen einzuholen. In einem nächsten Schritt könnte die EU-Kommission den beiden Ländern dann mitteilen, dass sie davon ausgeht, dass es in Polen und Ungarn Verstösse gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gibt. Dann müssten Massnahmen ergriffen werden, etwa weniger EU-Gelder an Warschau und Budapest auszuzahlen.
Die nun angeforderten Informationen aus den Ländern fliessen in die Beurteilung der Kommission ein, ob die Voraussetzungen für weitere Schritte erfüllt sind, wie die Brüsseler Behörde am Samstag weiter mitteilte. Ungarn und Polen haben nun zwei Monate Zeit um zu antworten. Kritiker werfen sowohl der ungarischen als auch der polnischen Regierung vor, die Justiz entgegen den EU-Standards zu beeinflussen. Sie sehen deswegen auch eine Gefahr für den EU-Haushalt, weil in der Regel nationale Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für die Aufklärung eines möglichen Missbrauchs von EU-Geldern zuständig sind.
Ende Oktober hatte das Europaparlament bereits die EU-Kommission verklagt, weil sie den neuen Strafmechanismus noch nicht ausgelöst hatte. Mit Ungarn und Polen gibt es schon seit Jahren Streit, weil sie sich ausweislich etlicher Gerichtsurteile nicht an EU-Recht halten. Der Streit mit Polen war nach einem Urteil des Verfassungsgerichts in Warschau zuletzt eskaliert. Das Gericht hatte entschieden, dass wesentliche Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Die EU-Kommission betont hingegen immer wieder: EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht.