Wie kam es zu Elon Musks Twitter-Kauf?
Musk hatte die Übernahme selbst eingefädelt, dann aber versucht, unter Verweis auf angeblich falsche Angaben zur Zahl von Fake-Accounts bei Twitter aus dem Deal wieder herauszukommen. Twitter zerrte ihn vor Gericht – und Musk erklärte sich kurz vor Beginn des Prozesses im Bundesstaat Delaware bereit, Twitter zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. Dass er dabei die Einstellung des Gerichtsverfahrens als Bedingung stellte, sorgte aber bis zuletzt noch für Unsicherheit.
Dass Musk sich doch noch mit seiner neuen Rolle als Twitter-Besitzer abgefunden hat, zeichnet sich schon seit Tagen ab. Bereits am Mittwoch tauchte er in der Konzernzentrale in San Francisco auf und bezeichnete sich in seinem Twitter-Profil nun als «Chief Twit». Am Freitag will er sich laut US-Medien in grösserem Stil den Beschäftigten dort vorstellen.
Eine offizielle Mitteilung zum Abschluss der letztlich rund 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme steht immer noch aus. Laut «Washington Post» und «Wall Street Journal» ist der Tech-Milliardär aber seit Donnerstag der Eigentümer von Twitter. Die Transaktion muss bis Freitag um 17.00 Uhr Ostküsten-Zeit (23.00 Uhr MESZ) durch sein, sonst landet der Deal doch noch vor Gericht.
Wer musste bereits die Koffer packen?
Musk hatte den bisherigen Firmenchef Parag Agrawal und die Twitter-Führung in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert. Mindestens einer der Manager sei aus der Firmenzentrale herausbegleitet worden, schrieb die «New York Times» unter Berufung auf informierte Personen. Bloomberg zufolge war es der Chefjurist Sean Edgett.
Die Ära von Elon Musk bei Twitter hat mit Entlassungen in der Chefetage begonnen. Am Donnerstag seien Agrawal und Finanzchef Ned Segal gefeuert worden, berichteten unter anderem der Sender CNBC und das «Wall Street Journal». Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg will Musk zunächst selbst den Chefposten übernehmen. Erst mit der Zeit könnte er den Job an jemand anderen abgeben.
Was will Musk verändern?
Musk will lebenslange Sperren für Nutzer bei Twitter abschaffen. Von der Auflösung dieser unumkehrbaren Verbannung ist unter anderem der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump betroffen. Ob die Abschaffung der lebenslangen Sperren auch die Position von Trump verändern würde, sei noch unklar, hiess es bei Bloomberg.
the bird is freed
— Elon Musk (@elonmusk) October 28, 2022
Musk liess nach seiner Twitter-Übernahme einen kryptischen Tweet raus. «Der Vogel ist befreit», schrieb er ohne weiteren Kommentar. Das Twitter-Logo ist ein blauer Vogel. Musk hatte stets betont, die Plattform von – aus seiner Sicht – zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu befreien. Kritiker befürchten, dass er damit Hassrede und Hetze Vorschub leisten könnte, gegen die Twitters Teams seit Jahren ankämpfen.
Schon am Donnerstag versuchte Musk, Werbekunden und Nutzer zu beruhigen, die unter ihm eine Verrohung des Tons beim Online-Dienst befürchten. Twitter dürfe kein «Ort des Grauens» werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne, schrieb Musk in einem offenen Brief an Anzeigenkunden. Die Plattform müsse «warm und einladend für alle» sein, schrieb Musk nun.
Was sind konkrete Pläne?
Elon Musk versprach bei Twitter weniger Kontrolle über Inhalte, weniger Fake-Accounts und mehr Spass. Er wolle für mehr Meinungsfreiheit sorgen und automatisiert postende Bots bekämpfen. Der Online-Dienst soll zu einer Allzweck-App nach Art etwa von WeChat in China ausgebaut werden. Wie Musk das alles erreichen will, weiss niemand.
Er selbst schrieb, er habe Twitter nicht gekauft, weil es einfach sein würde oder um mehr Geld zu machen. «Ich tat es, um der Menschheit zu helfen, die ich liebe», verkündete Musk. Und er gehe die Aufgabe mit Demut an – und im Bewusstsein, dass er trotz aller Bemühungen scheitern könne. Musk begründete den Kauf auch stets mit dem Anliegen, die Redefreiheit zu stärken.
Zuletzt sorgten Berichte über einen grossen Stellenabbau für Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Informationen, wonach er drei Viertel der Beschäftigten rauswerfen wolle, soll er diese Woche in der Zentrale zurückgewiesen haben.
Wie reagieren die Twitter-User?
Gefühlt will so jeder, der gerne ab und zu twittert, seine Meinung zu Musks Twitter-Kauf teilen. Da werden insbesondere Drei Dinge am meisten genannt: Der Rausschmiss der Spitzenkräfte, die (wohl bald kommende) freie Meinungsfreiheit und Mastodon. Hier einige Beispiele dafür.
BREAKING: Elon Musk has fired Vijaya Gadde, head of legal policy, trust & safety, who made the decision to permanently suspend Donald Trump.
— Benny Johnson (@bennyjohnson) October 28, 2022
Alle die ein Problem mit Meinungsfreiheit haben gehen nun zu #Mastodon!
— Siehdochhin! (@thia2009) October 28, 2022
Jan #bömermann der sowieso halb Twitter gesperrt hat, geht voran!
Lustig!
Und jetzt wo #Musk Twitter gekauft, wechselt ihr alle wieder #Mastodon um dort rumzuheulen, dass es ja nicht wie Twitter ist? Und am Ende kommt ihr eh wieder hierher ... 🙄
— Herr Lehmanowsky ™ (@lehmanowsky_) October 28, 2022
Niemand verlässt #Twitter, weil Elon #Musk den Laden übernommen hat.
— Deframing (@Deframing23) October 28, 2022
Wenn jemand Twitter verlässt, dann nur, weil er Angst hat, dass freie Meinungsäußerung seine Deutungshoheit gefährden könnte.
Der Gedanke daran scheint für einige unerträglich zu sein.
Vorhin auf dem Arbeitsweg: 2 Leute brüllen sich auf dem Alexanderplatz an, 1 Auto mäht mich fast um. Ich denk: "Wie schön wär es, in der Provinz zu leben. Idyllisch." Und dann: "Aber hier leben meine Freunde. Und kann ich meinen Job machen." So gehts mir mit Twitter und Mastodon.
— Nicole Diekmann (@nicolediekmann) October 27, 2022
Was ist Mastodon?
Mastodon ist eine Software, die Twitter ähnelt. Angemeldete Nutzer können telegrammartige Kurznachrichten «tröten». Mastodon erlaubt in der Standardeinstellung pro Beitrag, also pro Tröt 500 Zeichen. Die Tröts können von Nutzern kommentiert, geteilt und favorisiert werden. Auch Hashtags kann man setzen. Ander als Twitter ist Mastodon als dezentrales Netzwerk konzipiert. Der Dienst basiert also nicht auf einer zentralen Plattform, sondern besteht aus vielen verschiedenen Servern. Diese werden von Privatpersonen, Vereinen oder sonstigen Stellen eigenverantwortlich betrieben.
Wie viele nun wirklich nach Mastodon wechseln, wird sich zeigen. Doch die losgelöste Kontrolle durch Musk und die Angst und die Angst vor mehr Hass und Hetze auf der Plattform ist gross.