Mit Stand Montagnachmittag (Ortszeit) liege die Zahl der bestätigten Toten bei 74, sagte Kentuckys Gouverneur Andy Beshear. «Zweifelsohne wird es mehr geben.»
Es handele sich um «die schlimmsten Tornadoschäden, die man sich vorstellen kann», berichtete der sichtlich erschütterte Gouverneur. Es seien «sicher die schlimmsten in unserer Geschichte». Mehr als 100 Menschen würden noch vermisst. US-Präsident Joe Biden kündigte an, das Katastrophengebiet am Mittwoch besuchen zu wollen.
Die Tornados hatten in der Nacht zu Samstag schwere Zerstörungen angerichtet. Nach Angaben Beshears schlug ein Tornado über eine Strecke von 227 Meilen (365 Kilometer) eine Schneise der Verwüstung, 200 Meilen davon in Kentucky.
Auch in anderen Bundesstaaten kosteten Stürme mehrere Menschen das Leben, Kentucky wurde aber mit Abstand am härtesten getroffen. Medien berichteten von mehr als 30 Tornados in Kentucky, Mississippi, Missouri, Arkansas, Illinois und Tennessee. Demnach wird befürchtet, dass es insgesamt um die 100 Todesopfer gibt.
Eine Kerzenfabrik in Mayfield/Kentucky war dem Erdboden gleichgemacht worden. Dort wurde wegen der Weihnachtszeit rund um die Uhr gearbeitet – die Zahl der Toten könnte aber geringer sein als zunächst befürchtet. In der Fabrik hätten nach Angaben des Unternehmens 110 Menschen gearbeitet, sagte Gouverneur Beshear. Bislang gebe es dort acht bestätigte Todesfälle. Die Behörden waren zunächst von Dutzenden Toten allein in der Fabrik ausgegangen.
Beshear erwartete, dass die Zahl der Toten in dem Bundesstaat im Südosten der USA noch auf über 70 bis zu 80 steigen werde. Die bisher identifizierten Toten seien zwischen fünf Monaten und 86 Jahren alt gewesen. Zehntausende Haushalte seien noch ohne Strom. Es gebe einen «Berg von Trümmern».
Überlebende haben zum Teil alles verloren
Die Überlebenden hätten zum Teil alles verloren, sagte der Gouverneur weiter. Der Wiederaufbau werde Jahre dauern. «Es wird Kummer geben. Es wird aufgeräumt werden. Aber dann werden wir dafür sorgen, dass jeder wieder auf die Beine kommt.»
Biden betonte am Montag, dass seine Regierung alles tun werde, um die Staaten zu unterstützen. Viele der betroffen Orte seien eher einkommensschwach, sagte er. Die Menschen dort könnten nicht mal eben zu ihren Verwandten in einen anderen Bundesstaat fliegen. «Die Verwüstung ist überwältigend. Ich meine, es steht nichts mehr.» Wohnhäuser oder Geschäfte seien einfach «ausgelöscht worden».
Kyanna Parsons-Perez ist nach Informationen des Senders CNN eine derjenigen, die aus den Trümmern der Kerzenfabrik geborgen werden konnten. Sie habe während des Tornados in der Fabrik gearbeitet. Plötzlich sei das Gebäude über ihr und ihren Kollegen eingestürzt. «Es geschah so schnell», sagte sie dem Sender. «Wir wurden hin und her geschaukelt – und dann bumm, alles fiel auf uns hinunter.»
Sie sei am Kopf getroffen und ihre Beine seien eingeklemmt worden. Irgendwann habe Parsons-Perez angefangen, sich im Dunkeln zu filmen und über Facebook live zu senden. Sie habe um Hilfe gebeten und stets versucht, ihre Kollegen zu beruhigen. «Als ich da rauskam, konnte ich nichts anderes tun, als Gott zu danken.» Rettungskräfte berichteten ihr später, sie habe unter rund 1,5 Meter Trümmern gelegen.
Biden aktiv gegen Klimawandel
Bis das volle Ausmass klar wird, dürften Tage vergehen. Für die USA ist es die jüngste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen. Allein in diesem Jahr hatte es zuvor schon zahlreiche Stürme, Überflutungen und Waldbrände gegeben. Präsident Biden sieht in der Häufung und Heftigkeit der Katastrophen eine Folge des Klimawandels, dessen Bekämpfung er zu einer seiner Top-Prioritäten gemacht hat.
Für Deutschland kondolierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem US-Präsidenten. Mit Erschrecken habe er von den verheerenden Auswirkungen der Tornados erfahren, schrieb Steinmeier am Montag an Biden. «Das Ausmass an Tod und Zerstörung erfüllt mich mit Trauer.» Steinmeier sprach Biden auch im Namen der Bundesbürger seine tief empfundene Anteilnahme aus. «Ich wünsche Ihrer Regierung sowie den lokalen Behörden Kraft und Erfolg bei den Bemühungen, Leben und Wohlergehen der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten zu schützen.»