Seit längerem verhandeln Brüssel und London erbittert über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland. Wie im Austrittsabkommen vereinbart, unterliegt die Provinz anders als England, Schottland und Wales weiterhin den Regeln des europäischen Binnenmarkts und der Zollunion. Damit wird eine harte Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland vermieden, durch die es zu neuen Spannungen im früheren Bürgerkriegsgebiet käme. Allerdings ist dadurch eine Warengrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden. Es kommt zu Einschränkungen und Problemen im innerbritischen Handel. Derzeit gelten noch viele Ausnahmeregelungen, die aber auslaufen.
Zuletzt waren beide Seiten ein Stück aufeinander zugekommen. Dann trat der bisherige Brexit-Minister David Frost überraschend zurück. Die britische Aussenministerin Liz Truss, die nun Frosts Aufgaben übernommen hat, erklärte, Grossbritanniens Position habe sich nicht verändert und die Auslösung von Artikel 16 - dem im Brexit-Abkommen festgehaltenen Notfallmechanismus - steht noch immer zur Debatte. Nach Ansicht der Briten sind die Voraussetzungen dafür gegeben. Allerdings steht dies bereits seit Monaten als Drohkulisse im Raum.
Expertin Hayward warnt, Grossbritannien hätte in einem solchen Fall keine Vorteile. «Das bringt nicht mehr Sicherheit oder Stabilität - sondern eher das Gegenteil.» Die Unsicherheit würde noch grösser werden und neue Handelsmechanismen, die nach dem Brexit für Hunderte Millionen Pfund eingerichtet worden seien, wären möglicherweise vergebens. Im schlimmsten Fall - wenn der mühsam ausgehandelte Handelspakt zwischen London und Brüssel ausgehebelt würde - könne es zu Barrieren kommen und der Handel zwischen Grossbritannien und der EU erheblich komplizierter werden.