Die Vorbereitungen laufen jedenfalls auf Hochtouren, nicht nur auf Mallorca, wo jeder Fünfte im Tourismus beschäftigt ist. Im ganzen Land werden die Ferienanlagen auf Vordermann gebracht, überall wird geschraubt, gemalt und geputzt. Nachdem das von der Pandemie besonders hart getroffene Land monatelang in Schockstarre verharrte, kann sich jetzt niemand Bedenken oder Zögern leisten. Immerhin trägt der Tourismus mehr als 12 Prozent zum Nationaleinkommen bei, in keinem europäischen Land ist der Anteil höher.
«Ich habe etwa 30 000 Euro durch die gut zweimonatige Zwangsschliessung verloren», sagt Adrián Caricart, Inhaber des Weinlokals «La Vella Lleteria» im Küstenort Premia de Mar bei Barcelona. «Auch wenn die Urlauber wiederkommen, lässt sich das nicht wiederaufholen, aber wenigstens können wir dann überleben», sagt er stellvertretend für Hunderttausende Spanier, die vom Tourismus leben. Viele von ihnen verdienen in der Hauptsaison das Geld, mit dem sie den Rest des Jahres über die Runden kommen müssen.
Aber etwas unwohl ist Adrián auch, wenn er aus seinem Lokal auf die Tische der Restaurants und Cafés auf dem kleinen Platz gleich neben der Kirche schaut: Da sitzen die Einheimischen am frühen Abend fröhlich und lautstark noch unter sich, kaum einer hält Abstand und viele haben die Maske unterm Kinn baumeln. Auf Mallorca, in Madrid und in Lloret ist das derzeit nicht anders als in Premia. «Das wird schwer zu kontrollieren sein», sagt Adrián und fährt sich mit der flachen Hand über den Kurzhaarschnitt.
Stichwort Kontrolle: Kaum ein Tag vergeht, an dem die Regierung und die Verbände nicht neue Regeln und Gebote aufstellen. So will der Touristenmagnet Barcelona die Strände künftig per Video überwachen. Eine App soll vor einer Überfüllung am Wasser warnen, viele Strände richten Abgrenzungen, Korridore und Kontrollpunkte für den Zugang ein. An den insgesamt 369 Stränden Mallorcas und der anderen Balearen-Inseln wird es allerdings bis auf Weiteres keine Abgrenzungen und keine besonderen Massnahmen geben.
Wie wird man so die Sicherheit der Badegäste garantieren können?, wurde der balearische Tourismusminister Iago Negueruela von der Regionalzeitung «ARA Balears» gefragt. «Die Anzahl der Touristen, die kommen werden, wird sehr gering sein», so der sozialistische Politiker. Man sei ja an viel höhere Zahlen gewohnt. In der Tat. Die meisten der 16,5 Millionen Urlauber, die 2019 auf den Inseln waren, werden dieses Jahr mit Sicherheit - noch - nicht wiederkommen.
Ähnlich sieht es Chef des Interessensverbandes «Palma Beach», Juan Miguel Ferrer. «Ich kann mir an den Stränden hier keine Trennwände oder Besucherlimits vorstellen», sagt er. An der Playa de Palma habe man immerhin 6,5 Kilometer Sand. «Es gibt viel Platz für Social Distancing». Wie an vielen anderen Orten werden Bademeister und Strandpolizisten aber auch darauf achten, dass die Grundbestimmungen eingehalten werden, in erster Linie der Sicherheitsabstand von zwei Metern zwischen Handtüchern und Sonnenschirmen. Und Schutzmaske überall dort, wo sich dieser Abstand nicht einhalten lässt. Die Zentralregierung kündigte am Wochenende an, dass das Maskentragen auch nach Ende des Notstands am 20. Juni Pflicht bleiben wird.
Neue Zahlen nähren Optimismus. Auf den Balearen gab es am Sonntag nur sieben neue Infektionen, keinen neuen Todesfall. Regionalpräsidentin Francina Armengol sagte am Sonntag, sie habe sich bei einer Videokonferenz mit Regierungschef Pedro Sánchez eingesetzt, dass Madrid grünes Licht für ein «Pilotprojekt» gibt, in dessen Rahmen die Balearen schon ab 21. Juni gut 5000 Touristen aus Deutschland empfangen wollen, um den «Ernstfall», den erwarteten Ansturm von Touristen im Hochsommer unter Corona-Bedingungen, zu proben. In Palma und auch auf den Kanaren, die einen ähnlichen Antrag gestellt haben, hofft man, dass Sánchez schon in den nächsten Tagen einlenkt.
In Spanien gilt aber bei aller wirtschaftlicher Not «Safety first». «Wir werden garantieren, dass die Touristen keine Risiken eingehen werden und auch, dass sie keine Risiken für uns verursachen», so Sánchez kürzlich. Es gebe «keinen Konflikt zwischen Gesundheit und Geschäft». «Der spanische Tourismus wird von nun an zwei Gütesiegel haben: Ökologische Nachhaltigkeit und sanitäre Sicherheit», sagte er.
Aber viele Spanier glauben der Regierung nicht mehr. Die hohe Zahl von mehr als 27 000 Toten hat vielen Menschen die Schwächen des eigenen Landes vor Augen geführt. Und die lange und besonders drastische Einschränkung der Rechte hat das Land verstört. «Ich bin nicht mehr derselbe wie vor der Krise», sagt Adrián. Irgendwie fühle er sich wie vergewaltigt. Wer zurzeit die spanische Anti-Coronapolitik zu verteidigen versucht, hat einen schweren Stand.