Es ist der letzte Sonntag im April. Für die Innerrhoderinnen und Innerrhoder bedeutet das: Sonntagsschuhe montieren, Frisur richten und los geht's an die Landsgemeinde. Hier erfährst du das Wichtigste rund um diesen Tag.
Was passiert vor der Landsgemeinde?
Traditionellerweise läuft man zu Fuss an die Landsgemeinde. Personen aus den weiter entfernteren Bezirken machen sich dafür schon früh morgens auf den Weg Richtung Dorf. Ein Gipfeli, ein Kaffee und rege Diskussionen über die Landsgemeindegeschäfte in einer der Beizen auf dem Weg dürfen natürlich nicht fehlen. Um 9 Uhr ist ein Festgottesdienst in der Pfarrkirche in Appenzell. Kurz vor oder auch direkt nach der Landsgemeinde geniessen viele eine Portion «Siedwurst mit Chäsmagerone».
Schlag 12 Uhr erfolgt der Aufzug durch die Hauptgasse. Angeführt von der Musikgesellschaft Harmonie Appenzell, gefolgt von den Rhodsfahnen des inneren Landesteils, marschieren die Standeskommission, das Kantonsgericht und die Ehrengäste zum Landsgemeindeplatz. Dort warten schon die Innerrhoderinnen und Innerrhoder Stimmberechtigten im Ring.
Worüber wird abgestimmt?
Jedes Jahr geht es um die wichtigsten Landesangelegenheiten. Der regierende Landammann nimmt das Landessigill zur Hand und versichert, es nach bestem Gewissen eingesetzt zu haben. Dann werden die Personen der Regierung und des Kantonsgerichts gewählt. Es folgt der Eid des Landammanns und des Volkes.
Die Landsgemeinde kann je nach Anzahl Geschäften von knapp einer Stunde bis zu mehreren Stunden lange dauern.
Wer ist dieses Jahr Ehrengast?
Ehrengäste an der diesjährigen Landsgemeinde sind Bundespräsident Alain Berset und Bundesrat Albert Rösti. Ausserdem hat der botswanische Präsident Mokgweetsi Eric Keabetswe Masisi angekündigt, dass er während seines Staatsbesuchs in der Schweiz die Landsgemeinde besuchen will. Ebenfalls eingeladen sind unter anderem die Thurgauer Regierungspräsidentin Cornelia Komposch und die St.Galler Stadtpräsidentin Maria Pappa.
Wer darf in den Ring?
Stimmberechtigte Innerrhoderinnen und Innerrhoder, die das 18. Altersjahr erfüllt haben, versammeln sich auf dem Landsgemeindeplatz. Um die Stimmberechtigten von den Zuschauenden unterscheiden zu können, befinden sie sich in einem Ring. Die Regierung steht auf einer Tribüne, dem «Stuhl». Egal ob bei Sonne, Regen oder Schnee: Die Landsgemeinde findet bei jedem Wetter draussen statt.
Was hat es mit dem Degen auf sich?
Das «Seitengewehr», traditionellerweise ein Degen, wahlweise aber auch ein Bajonett oder ein Säbel, galt und gilt neben der Stimmkarte noch immer als Stimmrechtsausweis, um in den Ring zu kommen. Von den 18-jährigen Jungspunden bis zu den 80-jährigen Grossvätern – an der Landsgemeinde gibt es kaum einen, der keinen Degen dabei hat. Frauen haben keinen Degen dabei, für sie gilt die Stimmkarte als Stimmrechtsausweis.
Wie wird abgestimmt?
Abgestimmt wird durch Hochhalten der rechten Hand. Kann das Mehr von Auge nicht abgeschätzt werden, müssen die Stimmen einzeln ausgezählt werden.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.
Was passiert nach der Landsgemeinde?
Nach der Landsgemeinde gibt es einen weiteren Aufmarsch durch die Hauptgasse zurück zum Rathaus. Danach folgen für einige die Rhodsgemeinden. Das ist die letzte politische Handlung an diesem Tag – danach gilt es, die Landsgemeinde gebührend ausklingen zu lassen.
Im ganzen Dorf herrscht Ausnahmezustand. An jeder Ecke steht ein Stand mit Bratwürsten, Bier oder Landsgemeindechrempfli. Die Stimmung ist aussergewöhnlich. Man trifft Verwandte und Bekannte, macht «Duzis» mit ehemaligen Lehrpersonen oder lässt sich in Gespräche mit Freundinnen von Freundesfreunden verwickeln. Der Tag vergeht stets wie im Fluge, viel zu schnell ist es jeweils wieder spät nachts (oder früh morgens). Das ist auch der Grund, weshalb viele Innerrhoder Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen am Montag fehlen dürften.
Seit wann gibt es die Landsgemeinde?
Die Appenzeller Landsgemeinde ist 1403 erstmals in einer Urkunde erschienen. Sie dürfte jedoch schon vorher stattgefunden haben. Bis heute sind einige Dinge gleichgeblieben. Der Eid des Landammann beispielsweise hat bis auf stilistische Anpassungen immer noch den gleichen Wortlaut wie 1409.
Gibt es auch Kritik an der Landsgemeinde?
Ja. Immer wieder wird darüber debattiert, ob diese Praxis noch zeitgemäss ist. Einerseits können Gastronomie-Betriebe, Pflegepersonal, Ortsabwesende oder ältere Generationen nicht dabei sein. Ausserdem ist es fraglich, wie neutral man abstimmen kann, wenn Verwandte und Bekannte neben einem stehen.
Und die wohl bekannteste Kritik: Die hoch verspätete Einführung des Frauenstimmrechts. Erst seit 1991 dürfen auch Frauen an der Landsgemeinde teilnehmen – und das nur wegen einer Beschwerde vor Bundesgericht.