Es ist das Ende eines Traditionsbetriebs: Wie die Kuhn Champignon AG aus Herisau mitteilt, stellt sie ihren Betrieb per Ende Juli ein. Der Betrieb im aargauischen Full-Reuenthal mit rund 90 Mitarbeitern werde im Sinne einer Nachfolgelösung auf den 1. August von der Firma Wauwiler Champignons AG in Wauwil übernommen. Der Fabrikladen in Herisau wird ebenfalls ab dem 30. Juli geschlossen sein, bis dahin werden die Kundinnen und Kunden noch bedient, schreibt das «St.Galler Tagblatt».
Insgesamt verlieren durch die Betriebsschliessung in Herisau rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job.
«Viele Jahrzehnte Familiengeschichte»
«Der Entscheid zur Betriebsschliessung ist der Geschäftsleitung und Inhaberfamilie keineswegs leicht gefallen, stecken doch viele Jahrzehnte Familiengeschichte im Betrieb», heisst es in der Mitteilung weiter. In all den Jahren sei eine grosse Verbundenheit mit treuen Kunden, zuverlässigen Lieferanten und einem engagierten Mitarbeiterteam entstanden.
Inhaber Christoph Widmer sagt gegenüber dem «St.Galler Tagblatt»: «Der Betrieb am Hauptsitz in Herisau konnte nicht verkauft werden.» Auch eine Weiterführung komme nicht in Frage. Dafür sei der Betrieb zu klein. Bis alle Geschäfte vollends abgewickelt seien, bleibe der Hauptsitz noch in Herisau, allerdings nicht operativ.
Quelle: FM1Today
Familientradition endet
Nach Angaben von Widmer sind bereits am 1. Juni die Vorverträge unterzeichnet worden. Zum 1. August 2022 tritt nun der Inhaberwechsel in Kraft. Die Wauwiler Champignons AG übernimmt den Standort Full-Reuenthal der Traditionsfirma Kuhn Champignon AG. Widmer führt seit mehr als 20 Jahren das Familienunternehmen, das sein Grossvater während des zweiten Weltkriegs gegründet hatte. Den Verkauf des Standortes Full-Reuenthal begründet Widmer mit der Regelung der Nachfolge. Er gehe in Pension. Mit dem Verkauf ende eine lange Familientradition. Das tue schon auch weh. Andererseits freut er sich, eine Lösung gefunden zu haben, denn: «Die letzten zwei Jahre mit Corona sind schon auch schwierig gewesen.»
Darum sei er auch froh, dass der Mitbewerber nun übernehmen werde. Ihm sei es wichtig, dass der grosse Produktionsstandort in Full-Reuenthal weiterbetrieben werde und die 90 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Für die 30 Mitarbeitenden in Herisau würden derzeit neue Arbeitsplätze gesucht. Die Chancen stünden sehr gut, dass das auch gelingen werde.
Was mit der Liegenschaft passiert ist unterdessen noch offen. Widmer kann sich einen Verkauf ebenso wie eine Mietlösung vorstellen. Die Lage sei ja recht gut.
Wauwiler stärkt Marktposition
Mit dem Ausbau ihrer Produktionskapazitäten sichert sich im Gegenzug die Wauwiler Champignons AG eine starke Position für die Belieferung des Inlandmarktes mit Schweizer Champignons. Zu den Übernahmemodalitäten wurde Stillschweigen vereinbart. Die knapp 90 Mitarbeitenden des Standortes Full-Reuenthal würden von der Wauwiler Champignons AG weiterbeschäftigt, so Widmer.
Die Wauwiler Champignons AG ist ein Luzerner Familienunternehmen mit Sitz in Wauwil. Neben der Produktion von Champignons betreibt sie Handel mit verschiedenen Kultur- und Wildpilzen. Sie beliefert schweizweit Grossverteiler und Gemüsehändler. Zur Wauwiler Champignons AG gehört seit 2017 Fine Funghi AG mit Sitz in Gossau im Kanton Zürich. Die Fine Funghi AG produziert Bio Edelpilze wie Shitake, Kräuterseitlinge und Pleurotus, Biosubstrat wie auch Bio Champignons. Ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehören die Gerber Champignons AG mit Sitz in Seftigen sowie eine Minderheitsbeteiligung der Gotthard Bio Pilze AG in Stansstad. Mit der Übernahme der Produktionsstätte Full arbeiten knapp 400 Mitarbeitende bei der Wauwiler Champignons AG.
Wurzeln in St.Georgen
Die Kuhn Champignon AG gehört zu den grössten Pilzproduzenten in der Schweiz. Seit 1952 werden in der ehemaligen Textilfabrik an der Alpsteinstrasse in Herisau Champignons gezüchtet. Zuvor hatte Firmengründer Jörg Kuhn, auch «Pilzli-Kuhn» genannt, an verschiedenen Standorten, vor allem in St.Georgen, produziert.
Dank der Entwicklung eines Verfahrens zur künstlichen Herstellung von Pilznährböden expandierte die Firma sehr rasch. Mitte der 1970er-Jahre betrug ihr Anteil an der schweizerischen Champignonproduktion bereits einen Drittel, wie in der Geschichte der Gemeinde Herisau nachzulesen ist.
Die Gebäulichkeiten der ehemaligen AG Textil, die Jörg Kuhn als Produktionsstätte gewählt hatte, wurden bald zu eng. Deshalb eröffnete er 1970 einen Zweigbetrieb in der Aargauer Gemeinde Full. Anfang der 1980er-Jahre hegte Kuhn Pläne, die Produktionskapazität in Herisau auszubauen. Die Suche nach Bauland scheiterte am Widerstand der Bevölkerung, welche die Geruchsemissionen der Substratherstellung fürchtete.