Er ist bekannt in Chur: Der Stadtgarten mitten im Zentrum. Viele Einwohner machen wohl eher einen Bogen darum. Der Stadtgarten hat sich über längere Zeit zu einem Hotspot des Drogenkonsums entwickelt – und gehört zu einer der grössten offenen Drogenszenen der Schweiz. 130 bis 150 Stammgäste treffen sich dort regelmässig, hauptsächlich Alkoholtrinkerinnen und Drogenabhängige.
Seit den letzten zwei bis drei Jahren habe sich die Lage in der Szene stetig verschlechtert. «Zunehmend werden nicht Opiate wie Heroin konsumiert, sondern Aufputschmittel, beispielsweise Kokain, das geraucht wird», erklärt der Churer Stadtrat, Patrik Degiacomi. Dadurch seien die Leute aggressiver und schlafen weniger.
Situation ist nicht mehr tragbar
Seitdem kämpft die Stadt vermehrt gegen dieses Problem an. Im Frühjahr 2020 hat die Stadt daher die nächtliche Schliessung des Stadtgartens von jeweils 23 bis 6 Uhr angeordnet. Zu dieser Zeit hatten Verschmutzungen und Verwüstungen massiv zugenommen und auswärtige Personen hatten dort ihr Nachtlager aufgeschlagen.
Mit der Massnahme vor zwei Jahren wollte der Stadtrat einer Sogwirkung entgegenwirken. Es war wohl keine Überraschung, dass sich die Konsumation und der Aufenthalt der Szene im Laufe der Zeit verlagerten. Immer mehr fand das nächtliche Treiben in der Region des Lindenquaiparks in Chur und den dort öffentlichen WCs statt.
«Wir reden hier von maximal zehn bis zwölf Personen», sagt Degiacomi. Aus Sicht des Stadtrats kann die Situation der Anwohnerschaft nicht länger zugemutet werden. Er führt nun versuchsweise Schliesszeiten der betroffenen WC-Anlagen ein. Wie die Stadt mitteilt, soll im Gegenzug der Stadtgarten die ganze Nacht offen bleiben und eine temporäre Überdachung des Sitzplatzes im Park installiert werden.
«Aggressivität belastet die Bevölkerung»
Dem Stadtrat ist bewusst, dass dies keine langfristige Lösung der Drogensituation in Chur ist. Im Vergleich zu anderen Städten hat Chur weniger Angebote in diesem Bereich. «Seit den 1990er-Jahren sind wir da in der Angebotsentwicklung irgendwie still gestanden», sagt Degiacomi.
Im Juni dieses Jahres hat das Stadtparlament einem Kredit von einer Million Franken für überwachte Aufenthalts- und Konsumationsräume zugestimmt. Suchtkranke Personen brauchen einen sicheren Ort, wo sie sich aufhalten können, eine Beratung angeboten wird und geschützt Substanzen konsumieren können. Zusammen mit dem Kanton Graubünden soll ein solches Angebot bis bestenfalls 2024 umgesetzt werden.
«Wir prüfen hauptsächlich eigene Liegenschaften. Bis es soweit ist, braucht es leider noch etwas Zeit», so der Stadtrat. Aus Sicht des Stadtrats könne es nämlich nicht schnell genug gehen. «Die Aggressivität und Beschaffungskriminalität wird sehr stark in der Bevölkerung wahrgenommen und verunsichert die Leute. Jede Woche, jeder Monat mehr ist eine Leidenszeit, die wir gerne verkürzen würden.»
Stadtgarten für alle
Darüber hinaus sei eine Verbesserung in der Wohnsituation für obdachlose Personen erforderlich. Bisher gibt es eine Notschlafstelle in Chur für den ganzen Kanton Graubünden, in der Suchtkranke und Obdachlose für zehn Franken die Nacht schlafen können: Ein Frauenzimmer mit vier Betten und ein Männerzimmer mit sechs Betten – mit striktem Suchtmittelverbot.
Mithilfe dieser Massnahmen sieht die Stadt einen Weg, um Ruhe und Ordnung im öffentlichen Raum von Chur zu erreichen und den Stadtgarten wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stellen zu können.