Bernhard Ehrenzeller, wie kam es zur Freistellung?
Bernhard Ehrenzeller: Es gab die Vorwürfe, dass ein Professor studentische Arbeiten, die er betreut hat, unter seinem Namen publiziert hat. Das ist ein schwerer Vorwurf.
Hat sich der Vorwurf bestätigt?
Eine Studentin hat uns ihre Arbeit zugeschickt, diese haben wir untersucht. Schon innerhalb eines Tages konnten wir feststellen: Da ist etwas dran. Damit gab es einen grossen Anfangsverdacht von schwerem wissenschaftlichem Fehlverhalten.
Gab es weitere Punkte?
Wir konnten feststellen, dass der Professor Publikationen auf der Datenbank der Universität St.Gallen gelöscht hat. So konnten wir diese nicht mehr finden. Das ist Vertuschung von Beweismaterial, deshalb mussten wir unmittelbar heute die Massnahme einer provisorischen Freistellung einleiten. Das heisst: Der Professor hat ein Arbeitsverbot.
Wieso hat man das nicht früher entdeckt?
Es gab bei diesem Professor mehrere Vorwürfe. Der Hauptvorwurf, der schon länger im Raum steht: Er soll bei seiner Habilitation abgeschrieben haben, also von früheren eigenen oder fremden Publikationen Teile übernommen haben. Das kann man nicht so rasch feststellen, da haben wir klare Verfahren. Es gibt einen Gutachter, der kam zum Schluss: Es liegt kein Plagiat vor. Jetzt gab es ein weiters auswärtiges Gutachten. Dieser Gutachter sagte: Ich habe ganz andere Stellen gefunden. Das ist also der Anlass, dass wir nochmals schauen, ob das zutrifft oder nicht. Die Analyse der Habilitation braucht mehr Zeit als bei den studentischen Arbeiten.
Quelle: TVO/FM1Today/Nicole Milz/Dario Brazerol
Trotzdem: Das hätte man früher merken müssen.
Die Habilitation liegt ein paar Jahre zurück. Dort hat man die obligatorische Prüfung, die man heute bei jeder Arbeit macht, noch nicht immer gemacht. Es muss zuerst jemand kommen, der das sieht. Das wurde damals offensichtlich nicht entdeckt. Heute ist das einfacher.
Wie viel wurde übernommen?
Bei den studentischen Arbeiten waren es etwa 40 Prozent, also massiv. Bei der Habilitation können wir das noch nicht sagen. Letztlich ist es aber nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Ähnlichkeiten und Abdeckungen.
Ein zweiter Professor wurde ebenfalls freigestellt.
Der andere Professor ist ein sehr enger Kollege. Sie sind zusammen im gleichen Institut als Co-Direktoren. Weil wir merkten, dass die gegenseitigen Abhängigkeiten so hoch sind, dass die eine Untersuchung behindert werden könnte, mussten wir auch den zweiten Professor freistellen.
Wie lief die Freistellung ab?
Das ist alles heute passiert. Wir sind froh, dass wir jetzt erste Entscheide haben. Eine Freistellung ist eine neutrale Massnahme. Es könnte sein, dass die Untersuchung zu einem anderen Ergebnis kommt. Dann würde alles wieder aufgehoben. Sollte sich der Verdacht aber bestätigen, müssen wir rechtliche Massnahmen prüfen.
Konnten Sie persönlich mit den Professoren sprechen?
Einem Professor konnten wir es heute persönlich im Gespräch mitteilen. Dem anderen schriftlich, aber wir haben natürlich schon früher miteinander gesprochen.
Wie wurde die Freistellung aufgenommen?
Ich würde nicht sagen, dass es harmonisch war, aber in relativer Ruhe.
Und wie war es für Sie als Rektor?
Als Rektor bin ich überglücklich, dass wir endlich erste Ergebnisse haben, um zu sagen, dass wir in der Untersuchung weiter gekommen sind. Aber über das Ergebnis bin ich natürlich nicht glücklich. Wenn das zutrifft, ist das nicht nur für den Professor schlecht, auch für uns als Universität. Der Ruf ist mitbetroffen, das schmerzt mich.
Ist der Ruf denn schon beschädigt?
Es war sicher nicht hilfreich. Ich bin aber überzeugt, dass die Essenz, das Wesen der Universität nach wie vor gesund ist. Jetzt müssen wir schauen, dass es dort, wo solche Sachen passiert sind, eine Bereinigung gibt.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden einerseits die Anfangsverdachte, die vorliegen, genauer prüfen. Sollten wir mögliche Verfehlungen feststellen, müssen wir Massnahmen treffen. Es gibt aber auch nach der Untersuchung Sachen, die wir angehen müssen, damit wir in absehbarer Zeit sagen können: Jetzt ist es bereinigt, wir können in die Zukunft blicken.