Gegen Mittag herrscht etwas Trubel im Hospiz Solothurn. Besucherinnen und Besucher kommen vorbei, zur Mittagszeit wird das Essen geliefert. Und dieses wird meistens von Helferinnen oder Helfern gebracht.
Das Hospiz verfügt zwar über eine Küche. Aber das Personal und der Platz fehlt, um die Patientinnen und Patienten zu bekochen. Deswegen werden die Mahlzeiten und frisch gewaschene Wäsche vom nahegelegenen, etwa 300 Meter vom Hospiz entfernten Zentrum für Pflege und Betreuung Tharad bezogen.
«Es ist schön, wenn ein Mensch nach einem erfüllten Leben gehen darf»
Die Mahlzeiten und die Wäsche werden meist von den freiwilligen Helferinnen geholt. So auch von Béatrice Schönberger. Sie habe sich schnell als Freiwillige gemeldet, als sie erfahren habe, dass das Hospiz öffnet. Schönberger arbeitet daneben Teilzeit in einem Altersheim.
Die Themen Tod und Sterben sind für sie kein neues Terrain. Bereits im jugendlichen Alter, in ihrer Ausbildung zur medizinischen Praxisassistentin, kam sie damit in Berührung. In ihrer Zeit im Beruf habe sie einiges gelernt. Unter anderem auch, dass das Sterben im Alter nicht zwingend schlimm sein muss. «Es ist auch schön, wenn ein Mensch nach einem erfüllten Leben gehen darf», sagt Schönberger.
Die Angehörigen von Béatrice Schönberger reagieren überrascht, wenn sie erzählt, dass sie in ihrer Freizeit in einem Sterbehospiz aushilft. «Die Leute fragen Dinge wie ‹wie schaffst du das, inmitten all der Sterbenden?›», sagt Schönberger. Dass das Thema Sterben tabuisiert wird, bedauert sie.
Nahrungsaufnahme über eine Sonde
Zurück im Hospiz: Das aufgewärmte Mittagessen kommt auf die Teller. Doch bei Frau Laurent* ist es anders. Die Patientin hat ALS. Die Nervenkrankheit ist bei ihr so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr gehen oder sprechen kann. Die Mahlzeiten müssen bei ihr über eine Sonde direkt in den Magen geführt werden.
Wie Pflegerin Christine Schneeberger erzählt, bekomme Frau Laurent viel Besuch von ihrem Mann. Sie seien ein «sehr interessantes Paar». Denn manchmal bekomme sie mit, wie die beiden streiten. Das sei wichtig, erklärt Schneeberger: «Streiten zu dürfen, ist etwas Schönes: Man begegnet sich so auf Augenhöhe.» Im Hospiz steht das Leben im Mittelpunkt. Dazu gehört nicht nur, dass die Patientinnen und Patienten lachen und weinen. Sie dürfen auch wütend sein und eben – mit ihren Angehörigen streiten.
Christine Schneeberger betont immer wieder, Frau Laurent sei ein «Spezialfall». Sie strahlt jedes Mal über beide Ohren, wenn sie die Pflegerin sieht. Sie sei sehr dankbar für jegliche Art von Hilfe und geniesse die Anwesenheit der Pflegerinnen. «Ich darf bei Frau Laurent auch ab und zu Sprüche klopfen», erklärt Schneeberger. Denn sie habe trotz der schwierigen Umstände die Freude am Leben und den Humor nicht verloren.
*Alle Namen der Patienten sind der Redaktion bekannt und wurden abgeändert. Die erwähnten Patienten sind mittlerweile verstorben.
Teil 1 der Reportage: Im Solothurner Sterbehospiz lebt das Leben
Teil 3 der Reportage: Dieser Seelsorger ist stets für die Patienten da
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