Eine komplett neue Organisation, Beratungsstellen für minderjährige Turnerinnen und eine enge Zusammenarbeit mit den Kunssturnvereinen – das Regionale Leistungszentrum Ostschweiz (RLZO) für Kunstturner in Wil will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und mit einer neuen Führung wieder mehr Kaderturnerinnen anlocken.
Herr Brochier, Sie stehen an der Spitze dieses Vorhabens, weswegen haben Sie sich für diesen Posten entschieden?
Es ist eine sehr schwierige Zeit, durch die das RLZO gegangen ist und ich glaube, viele Sachen hätten anders angegangen werden können. Mein Team und ich werden uns nun an die Arbeit machen und versuchen, den Weg neu zu beschreiten. Ich bin ein Gründungsmitglied des RLZO und meine Tochter ist aktive Turnerin, deshalb habe ich auch einen persönlichen Bezug zum Zentrum.
Mit der schwierigen Zeit sprechen Sie vermutlich von vergangenem Herbst. Damals warf eine 17-jährige Turnerin dem Cheftrainer vor, sie sexuell missbraucht zu haben. Was ist seither passiert?
Ich kann nichts zur Vergangenheit sagen, da ich nicht involviert war. Wir haben uns aber vorgenommen, Kinder besser zu schützen. Minderjährige mit ihren Sorgen, Nöten und Anliegen müssen wirklich sehr ernst genommen werden. Deswegen liegt es uns am Herzen, dass wir eine Vertrauensstelle schaffen. Damit Turner eine Anlaufstelle haben.
Sie selbst haben eine Tochter, die aktiv im TZ Fürstenland turnt. Wie haben Sie als Vater die Zeit nach den Missbrauchsvorwürfen erlebt? Wie war die Stimmung unter den Turnerinnen?
Durch die ganzen Ereignisse vor allem im letzten Jahr sind viele Situationen entstanden, die mich persönlich traurig stimmten. Das war nicht gut für die Turnerinnen, das war nicht gut für die Eltern, das war nicht gut für die Trainer und auch nicht für das Turnen an sich. Es gab nur Verlierer.
Und das soll sich mit einem neuen Leiterteam für die Kunstturnfrauen ändern?
Wir werden uns Gedanken machen, welches das beste Trainerteam für die Zukunft der Frauen sein wird. Aktuell wird das bisherige Trainerteam weiter arbeiten. Wir brauchen diese Konstanz, aber wir werden uns, auch in Abstimmung mit dem aktuellen Trainerteam, auf die Suche nach Lösungen machen, was auch immer das für Lösungen sind.
Haben Sie Kontakt mit dem ehemaligen Cheftrainer, gegen den wegen Missbrauchsvorwürfen ermittelt wird?
Ich kenne ihn, weil er hier früher im RLZ trainiert hat. Ich hatte mit ihm aber seit 2013 keinen Kontakt mehr.
Trainiert werden die Frauen von der Frau des Ex-Cheftrainers – wird das auch in Zukunft so sein?
Im Moment schon, ja. Für die Zukunft müssen wir nach Lösungen suchen.
Gab es Turnerinnen, die aufgrund der Missbrauchsvorwürfen aufhörten?
Ich kann nicht sagen, warum irgendjemand aufgehört hat. Ich kann nur die Fakten anschauen und anhand derer sehe ich, dass wir aktuell nur noch vier Turnerinnen im Schweizer Kader haben. Das kann uns nicht zufriedenstellen als Schweizer Leistungszentrum. Wir haben das Ziel, möglichst viele Turnerinnen ins Schweizer Kader zu bekommen, deswegen ist die Abwanderung der Turnerinnen nicht gut.
Wie soll diese Abwanderung gestoppt werden? Es gab teilweise Turnerinnen, die in einem anderen Leistungszentrum trainierten.
Ja, wir hatten Turnerinnen, die eine Zeit lang in Zürich trainierten. Wir müssen schauen, dass wir in Zukunft einen Trainingsbetrieb haben, in dem mehr Kaderturnerinnen als Output ins Schweizer Kader kommen. Ruhe soll es unter anderem durch die neue Anlaufstelle geben. Ich denke, wir müssen aus der Vergangenheit lernen, das ist das Mindeste, das wir tun können. Die Anlaufstelle soll zeigen, dass wir die Sorgen, Nöte und Fragen der Turnerinnen in Zukunft ernst nehmen.