Drei wissenschaftliche Mitarbeitende hat Swiss-Ski nach China geschickt – so viele wie nie zuvor an Olympischen Winterspielen. Zusätzlich ist auch ein Experte des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung vor Ort. Ihre Aufgabe: Alles über den Schnee in den Olympia-Skigebieten herausfinden, damit die Serviceleute das perfekte Material für die Fahrerinnen und Fahrer bestimmen können.
«Unsere Aufgabe besteht darin, den Schnee zu analysieren. Wir beobachten das Wetter und den Wind und schauen dabei, wie sich der Schnee im Verlaufe des Tages entwickelt. Dabei versuchen wir auch die Sonneneinstrahlung und die Temperatur zu berücksichtigen», erklärt Björn Bruhin. Er ist Forschungskoordinator bei Swiss-Ski und für die Datenanalyse in Yanqing zuständig, wo die Alpinen stationiert sind.
Weder Erfahrungswerte noch Wetterdaten
Tönt kompliziert, ist es auch – speziell an diesen Spielen. Wegen der Corona-Pandemie mussten die obligaten Testevents vor Olympia abgesagt werden. Daher konnten die Datenspezialisten mit der so wichtigen Analyse des Schnees nicht schon vor einem Jahr beginnen, sondern erst wenige Wochen vor den Skirennen. Heisst: Die Arbeit, für die man sonst mindestens ein Jahr Zeit hat, muss in wenigen Tagen erledigt werden.
«Das ist sehr schwierig», bringt es der 36-Jährige auf den Punkt. «In Wengen oder Kitzbühel waren wir schon x-Mal. Da gibt es Erfahrungswerte. Das ist in China komplett anders. Wir wussten nicht, wie hier der Schnee ist. Auch hatten wir kaum Wetterdaten zur Verfügung.» Dennoch konnten Bruhin und sein Team die Situation meistern. «Bis jetzt sind wir zufrieden mit den Daten. Unsere Trefferquote hier in Yanqing liegt etwa zwischen 75 und 85 Prozent.»
Medaillenregen dank Schnee-Analyse?
Diese Aussage machte der 36-Jährige noch in der ersten Woche der Olympischen Spiele. Dennoch sollte er recht behalten: Nebst dem Abfahrts-Gold von Beat Feuz und Corinne Suter, gab es dank Lara Gut-Behrami auch im Super-G eine Schweizer Siegerin. Nicht zu vergessen der Doppelsieg von Michelle Gisin und Wendy Holdener in der Kombination sowie die Goldfahrt von Marco Odermatt im Riesenslalom, die wir in diesem Zusammenhang jedoch ausklammern.
Denn die Wissenschaftler um Björn Bruhin sind hauptsächlich für die Speed-Disziplinen zuständig. In diesen kann mit dem richtigen Material am Fuss am meisten Zeit herausgeholt werden. «Unser Ziel ist es, Prognosen für den nächsten Tag zu machen. Also den Trainern und Serviceleuten sagen zu können: So wird der Schnee morgen.»
Dabei handle es sich jedoch nur um eine Empfehlung, betont Bruhin. Der Entscheid, mit welchem Material Feuz, Suter oder Gisin in die Abfahrt oder den Super-G starten, liegt nicht bei den Wissenschaftlern.
Grosse Geheimniskrämerei
Nicht nur Swiss-Ski ist mit eigenen Datenspezialisten vor Ort, mittlerweile haben fast alle grösseren Nationen eigene Wissenschaftler. «Klar schaut man, was die anderen machen», sagt der Forschungskoordinator. Doch darüber gesprochen werde kaum. «Die Datenanalyse ist ein grosses Geheimnis. Man will schliesslich einen Wettbewerbsvorteil für die eigenen Athleten herausholen.» Dies ist Bruhin und seinem Team hier in Peking definitiv gelungen.