Ostschweiz

Lärm, Dreck und Drogen: Die «Schandflecken» der Ostschweiz

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Lärm, Dreck und Drogen: Die «Schandflecken» der Ostschweiz

· Online seit 09.05.2023, 05:55 Uhr
In vielen Ostschweizer Orten gibt es sogenannte «Schandflecken», welche die Bevölkerung nicht gerne besucht. Darunter der Schmidheinypark in Heerbrugg oder der Churer Stadtpark. Doch wie gehen die Städte und Dörfer mit dem schlechten Image um? FM1Today hat nachgefragt.
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Der Schmidheinypark neben dem Heerbrugger Bahnhof werde laut einem «20 Minuten»-Artikel nur noch als «Park der Schande» betitelt. Dies, da dort Veranstaltungen und Partys die Anwohnenden verärgern würden – diese leiden laut «20 Minuten» unter dem Lärm und der hinterlassenen Unordnung.

Gegenüber TVO sagt die zuständige Gemeinde des Schmidheiny Parks in Heerbrugg, dass man sich nicht mehr zu diesem Thema äussern möchte. Durch die Bars, Restaurants und Geschäfte in der Umgebung des Parks solle man sich laut dem Gemeindepräsidenten nicht wundern, wenn es ab und zu etwas lauter werde.

Doch der Park in Heerbrugg ist nicht der einzige in der Ostschweiz, welcher immer wieder in in der Kritik steht. So wurde in der Vergangenheit auch über «Probleme» im Stadtpark in Chur, dem St.Galler Kantipark oder der Allee beim Wiler Bahnhof berichtet.

Kontrollierter Platz für Suchtkranke

«Uns ist nicht bekannt, dass der Kantipark und insbesondere das Museumsquartier einen schlechten Ruf haben», sagt Roman Kohler, Leiter Kommunikation der St.Galler Stadtpolizei.

Klar sei aber, dass im Kantipark seit Jahren Personen mit einem Suchtproblem «kontrolliert» Platz geboten werde. «Polizeilich stellen wir da selten Probleme fest», sagt Kohler. Die Polizei arbeitet dabei eng mit der Stifung Suchthilfe zusammen. «Unser Ziel ist es nicht, die benannten Personen vom Kantipark weg zu haben. Die würden sich damit ja nicht in Luft auflösen und haben ein Recht darauf, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten wie alle anderen Personen auch.»

Regine Rust, Geschäftsleiterin der Stiftung Suchthilfe, äussert sich ähnlich: «Unseres Wissens nach haben weder der Kantipark noch das Museumsquartier ein schlechtes Image. Es gab in der Vergangenheit ein, zwei Vorfälle im Museumsquartier, welche gemeinsam mit den Anwohnenden und der Polizei erfolgreich gelöst wurden.»

Dass die Situation so stabil sei, liege zum einen darin begründet, dass sowohl die Stiftung Suchthilfe mit der Fachstelle für aufsuchende Sozialarbeit (FASA), als auch die Polizei im öffentlichen Raum präsent sind und so Prävention, Intervention und, wo nötig, Repression Anwendung finden. «Zum anderen aber auch begründet in der gemeinsam formulierten und gelebten Grundhaltung im öffentlichen Raum, der Partizipation, der Sozialverträglichkeit und den Dialog von allen Beteiligten – so werden mögliche Probleme an der Wurzel gepackt», sagt Rust.

So sei die Stiftung Suchthilfe beispielsweise gemeinsam mit der Polizei im regelmässigen Austausch mit der Kantonsschule, um präventiv wirken zu können. «Auf diese Weise wird es möglich, dass ganz verschiedene Gruppen den Park gemeinschaftlich und ohne Probleme nutzen können», so die Geschäftsleiterin der Stiftung Suchthilfe.

An Wochenenden würden insbesondere junge Menschen, welche sich im öffentlichen Raum oder auf Schulanlagen aufhalten, auf die Littering-Problematik hingewiesen. «Zudem stellen wir auch immer wieder Kleinmengen von Betäubungsmitteln sicher. Grössere Polizeiaktionen und Ermittlungen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln laufen über die Kollegen der Kantonspolizei St.Gallen», sagt Kohler.

Treffpunkt für Randständige

«Der Stadtpark in Chur ist seit vielen Jahren Treffpunkt von Randständigen. Seit wenigen Jahren hat sich das Problem aufgrund des Konsums von Kokain stark verschlimmert», erklärt Patrik Degiacomi, Churer Stadtrat mit Departement Bildung, Gesellschaft und Kultur. Der öffentliche Drogenkonsum und der Kleinhandel seien so viel öffentlicher geworden.

Der Churer Stadtrat hat im Juni 2022 in der Strategie Sucht- und Drogenpolitik aufgezeigt, wie er das Problem angehen möchte. «Kern der Vorlage waren die Errichtung eines Konsumraums in Zusammenarbeit mit einer zentral gelegenen kantonalen Kontakt- und Anlaufstelle für suchtkranke Menschen», so Degiacomi.

Weiter sollen die Wohnangebote für jene Menschen verbessert werden, denn es gebe alleine in Chur rund 30 Personen, welche keine geregelte Wohnsituation hätten. «Das Ergebnis ist, dass sie sich nachts in Tiefgaragen, öffentlichen WCs und Anlagen aufhalten. Beide erwähnten Punkte wurden vom Gemeinderat bewilligt.» Abgelehnt wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt die Erarbeitung einer Konzeption zur durchmischten Nutzung der öffentlichen Anlagen.

Die jetzige Situation sei laut Degiacomi eine grosse Belastung für die Bevölkerung. Die Auswirkungen des Drogenkonsums seien in der gesamten Stadt und darüber hinaus viel sichtbarer geworden: «Einbrüche, Diebstähle, Spritzenfunde. Die Bevölkerung ist ausgesprochen geduldig, aber es ist wirklich inakzeptabel, was ihr zugemutet wird. Die Kantonspolizei sagt, dass sie aufgrund der Gesetzgebung nicht härter durchgreifen könne», so der Churer Stadtrat. So würden einzelne Personen 40 bis 50 Delikte verüben, bis etwas geschehe.

«Wir sind daran, zusammen mit dem Kanton unsere Angebote aufzubauen, damit man die Betroffenen nicht nur von einem Ort wie dem Stadtpark wegschickt, sondern sie auch an einen Ort zuweisen kann», sagt Degiacomi und fügt an: «Wir versuchen zu beschleunigen, wo es nur geht und würden uns – zusammen mit der Bevölkerung – eine rasche Beruhigung der Situation wünschen.»

Mit dem Konsumraum und den Wohnangeboten sollen Orte geschaffen werden, wo die suchtkranken Menschen unter hygienischen Bedingungen konsumieren können und professionell begleitet werden. «Dadurch können wir im öffentlichen Raum dann auch noch konsequenter polizeilich durchgreifen. Insbesondere können wir dadurch den öffentlichen Drogenkonsum und den Kleinhandel in geordnete Bahnen lenken. So wie das andere Städte seit vielen Jahren erfolgreich machen.»

Kein «unschöner Ort»

Die Allee in Wil sei laut dem Wiler Stadtpräsident Hans Mäder kein «unschöner Ort». Sie sei stadtprägend und über 100 Jahre alt: «Ihre axiale Lage mit den axial angeordneten Denkmälern sowie dem durch die Bäume beschatteten Fussweg in der Mitte, schafft Identität.» Die Allee sei Teil der kollektiven Erinnerung und gehöre zum Stadtbild – und biete den Menschen ein vertrautes Bild bei der Ankunft am Bahnhof.

Genutzt werde die Allee heute vielfältig: «Bahnhof und Bahnhofplatz sind vor allem funktionale Orte. Dem Stadtraum Bahnhofplatz/Allee fehlt heute aber ein übergeordnetes Gesamtkonzept», so Mäder. Dies habe der Stadtrat erkannt, weswegen der Stadtraum Bahnhof/Allee in den kommenden Jahren aufgewertet und mit einem Konzept versehen werden soll. «Die Stadt Wil plant dort grosse Investitionen und will positive Entwicklungen vorantreiben.»

Der Wiler Stadtrat sei davon überzeugt, dass sich die Aufenthaltsqualität mit den geplanten Massnahmen deutlich verbessern werde. So soll die Allee mit der Neugestaltung als offene, chaussierte Promenade gestaltet und der Strassenraum aufgewertet werden. «Insgesamt wird mit den geplanten Massnahmen die Aufenthaltsqualität im Bereich Allee/Obere Bahnhofstrasse wesentlich verbessert. Das bestehende WC-Häuschen soll dabei umgenutzt werden und künftig beispielsweise als Espressobar dienen.» Gleichzeitig werde auch die Beleuchtung auf die neu geplanten Gegebenheiten abgestimmt.

Aufgrund des Littering- und Drogenproblems prüft eine departementsübergreifende Arbeitsgruppe derzeit verschiedene Massnahmen, um gegen eben diese vorzugehen. Bereits heute seien Sicherheitspatrouillen regelmässig im Bereich Allee vor Ort. Laut Mäder sei die Situation auch für diese unbefriedigend.

«Die Gruppierungen, die sich vorher im Bereich Bahnhof aufgehalten haben, halten sich aktuell eher mehr im Bereich Allee auf. Es werden dort teilweise Alkohol und Drogen konsumiert.

Zudem besteht im Bereich Allee ein Littering-Problem», erklärt er. Fehlbare Personen würden von den Sicherheitskräften weggewiesen. Solche Massnahmen würden jedoch nur kurzfristig Wirkung zeigen. «Die Aufgabe der Arbeitsgruppe ist deshalb, langfristige Lösungen zu suchen.»

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veröffentlicht: 9. Mai 2023 05:55
aktualisiert: 9. Mai 2023 05:55
Quelle: FM1Today

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